[ROMAN] Durch das große Feuer von Alica Winn

Autor*in: Alice Winn
Übersetzer*innen: Ursula Wulfekamp, Benjamin Mildner
Hardcover:  496 Seiten
ISBN: 978-3961611607
Preis: 19,99 EUR (eBook) / 24,00 EUR (Hardcover)
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Story:
England 1914: Henry Gaunt, dessen Mutter aus Deutschland stammt und Sidney Elwood sind von Kindesbeinen an beste Freunde und gehen auf dieselbe britische Eliteschule. Als der Große Krieg ausbricht, wird Gaunt schnell mit den Wünschen seiner Familie konfrontiert, sich freiwillig zu melden, um zu zeigen, dass man durch und durch britisch ist. Schließlich meldet er sich, auch um vor seinen Gefühlen zu Ellwood zu fliehen und kommt an die Front, ohne zu ahnen, dass sein Freund ebenfalls in ihn verliebt ist. Als Elwood ihm an die Front folgt und in seine Einheit kommt, erleben sie eine kurze gemeinsame Zeit der Offenheit, bis die Grausamkeit des Krieges sie einholt und auf brutale Weise auseinanderreißt …

Eigene Meinung:
Mit dem Roman “Durch das große Feuer” legt die britische Autorin und Drehbuchschreiberin Alica Winn ihr Debüt vor, dass 2023 nahezu zeitgleich in Groß-Britannien und Deutschland erschien. Der historische Roman ist in sich abgeschlossen. Inzwischen wurden auch die Filmrechte verkauft, eine Verfilmung der Geschichte von Elwood und Gaunt dürfte daher wahrscheinlich sein.

Die Geschichte spielt in England, kurz nach Beginn des ersten Weltkriegs und beleuchtet die Freundschaft von Henry Gaunt du Sidney Elwood, die beide Eliteschüler sind und den Krieg nur aus der Schülerzeitung “The Preshutian” kennen, in dem zumeist die Listen der toten und verwundeten Mitschüler veröffentlicht werden. Während Gaunt dem Krieg kritisch gegenübersteht, können es die meisten anderen kaum erwarten, in den Kampf gegen die Deutschen zu ziehen. Wie schrecklich der Krieg, die Front und all die Kämpfe sind, erfahren sie nach und nach, da sich ausnahmslos jeder freiwillig meldet als sie alt genug sind.
Alice Winn entführt die Leser*innen in eine schreckliche Zeit, an einen Ort, an dem es nur wenig Hoffnung zu geben scheint. Erschreckend ehrlich, mit starken, sehr eindringlichen Bildern legt sie die Grausamkeiten des Krieges offen, beschreibt die Zeit in den Schützengräben und die Kämpfe der Soldaten, die nicht nur gegen den Feind auf der anderen Seite zu kämpfen haben, sondern auch mit dem in den eigenen Reihen oder mit der eigenen Psyche. Gaunt und Elwood bleibt wenig Zeit, ihre Gefühle füreinander zu entdecken und bis zu einem gewissen Grad auszuleben, bis das Schicksal sie auseinanderreißt, doch die Autorin nimmt sich genügend Zeit, um die beiden einander näher zu bringen und ihre tiefgehenden Gefühle füreinander zu beleuchten. Teils arbeitet sie mit Rückblenden, um die Schulzeit der beiden zu beschreiben und den Figuren mehr Tiefe zu geben, teils mit der typischen Feldpost, in die die Soldaten in die Heimat schicken.
Um die Geschichte so realistisch und authentisch wie möglich zu erzählen, hat die Autorin unzählige Quellen studiert und diverse Erinnerungen, Berichte und Erzählungen in ihr Werk einfließen lassen, was das Quellenverzeichnis am Ende des Buches deutlich macht. Dementsprechend ungeschönt sind die Beschreibungen und grausam die Schilderungen – und bleiben lange in den Köpfen der Leser*innen präsent.

Die Figuren sind sehr authentisch und gut nachvollziehbar gestaltet – Gaunt ist zurückhaltender und zu Beginn kritisch dem Krieg gegenüber eingestellt, als die meisten seiner Freunde, die sich von den heroischen Ansprachen blenden lassen. Auch Elwood, der Gedichte liebt und selbst verfasst, sieht die Front zu Beginn als etwas, das überhaupt nicht der Wirklichkeit entspricht. Beide ändern sich im Laufe des Buches stark, denn der Krieg hinterlässt viele Spuren bei den beiden – sichtbar wie unsichtbar. Einzig ihre Gefühle zueinander werden stärker und helfen ihnen dabei, die vielen Grausamkeiten des Krieges zu überstehen.
Auch die vielen Nebenfiguren, zumeist Schüler derselben Eliteschule, aber auch Soldaten aus dem einfachen Stand, werden gut nachvollziehbar und passend in Szene gesetzt. Jeder einzelne hat mit Sorgen, Ängsten und Problemen zu kämpfen und steht in Alice Winns Roman sinnbildlich für die vielen namenlosen Opfer des Krieges.

Stilistisch legt Alice Winn ein beeindruckende Debüt vor, das durch große erzählerische Dichte, einem Hauch Poesie und einem sehr klaren, unverblümten Schreibstil besticht. Der Autorin gelingt es die Grausamkeiten des Krieges und die Unmenschlichkeit an der Front ebenso einzufangen, wie die Gefühle von Gaunt und Elwood zueinander. Mit starken, eindringlichen Bildern, die einem mitunter viel zu präsent erscheinen, erzählt sie von den blutigen Schlachten, der Hoffnungslosigkeit und den vielen Opfern, die jeder Kampf fordert, nutzt aber auch Elemente wie Gedichte und Frontbriefe, um die Gedanken der Leser*innen zwischenzeitlich in eine andere Richtung zu lenken und einen Funken Hoffnung zu wecken. Man fiebert mit den beiden jungen Männern mit, hofft, dass sie die Zeit irgendwie überstehen, obwohl man weiß, dass der Krieg sie für immer verändern wird, sollten sie überleben.

Fazit:
“Durch das große Feuer” ist ein eindringlicher Roman, der durch authentische, gut nachvollziehbare Charaktere, eine glaubwürdige Liebesgeschichte und eine klare, unverblümte Sprache besticht, die nichts beschönigt und die Schrecken des ersten Weltkrieges in vielen Facetten (von den Kämpfen, über die Schützengräben bis hin zur Kriegsneurose) deutlich zeigt. Alice Winn ist ein beeindruckendes Debüt gelungen, das lange im Gedächtnis bleibt und zum Nachdenken anregt, insbesondere da es den Fokus auf die Liebe zweier Männer legt, die in dieser Zeit in England verboten war. Wer mit den teils sehr bildhaften, realistischen Beschreibungen des Krieges kein Problem hat, sollte unbedingt einen Blick riskieren – “Durch das große Feuer” ist ein Buch, das man gelesen haben sollte.

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