Autor*in: Alison Cochrun
Übersetzer*in: Nadine Lipp
Taschenbuch: 480 Seiten
ISBN: 978-3734112355
Preis: 7,99 EUR (eBook) / 13,00 EUR (Taschenbuch)
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Story:
Für Dev Deshpande geht romantische, wahre Liebe über alles – aus diesem Grund arbeitet er als Produzent bei der Reality-Dating-Show „Ever After“ mit, in der 20 Kandidatinnen um ihren Traummann buhlen. Der neue, reiche Tramprinz Charlie Winshaw stellt ihn jedoch vor unerwartete Hürden, ist es doch steif, unsicher, tollpatschig und glaubt nicht an die Liebe. Prompt wird Dev ihm als Coach zugewiesen, was bedeutet rund um die Uhr zusammen zu sein, um ihn bei seinen Dates zu unterstützen. Und während die Dreharbeiten rund um die Welt ihren Lauf nehmen, begleitet von den üblichen, inszenierten Dramen, kommen sich die beiden näher. Dabei erkennt Dev, dass Charlie nicht nur psychische Probleme hat, er muss auch selbst erkennen, wie problematisch die Show auf vielen Ebenen ist und wie sehr sie seine eigene mentale Gesundheit angreift …
Eigene Meinung:
Mit dem Roman „The Charm Offensive – Wenn die Klappe fällt, beginnt die Liebe“ legt Blanvalet das Debüt der Autorin Alison Cochrun vor, das weit mehr zu bieten hat, als lockerleichte Gay Romance Lektüre, spricht sie doch auch ernste Themen an – insbesondere mentale Gesundheit, aber auch Queerness jenseits von schwul und lesbisch. Im Oktober 2022 erschien unter dem Titel „A Charmed Christmas“ noch eine Kurzgeschichte, die bisher nur in englischer Sprache erhältlich ist und die nach der Hauptgeschichte angesiedelt ist.
Die Geschichte entführt Leser*innen in die Welt des Trash-TV – man begleitet das Fernsehteam von „Ever After“, die Kandidatinnen und natürlich den zu erobernden Prinzen in eine Welt, die mehr Schein als Sein ist. Für Dev, der an die Liebe und romantische Happy Ends glaubt, ist die Show das Größte; für Charlie, der vorwiegend teilnimmt um sein negatives Image aufzumöbeln, ein wahrer Alptraum. Nicht nur hat er Probleme mit Berührungen, der Interaktion mit Menschen und den unmöglichen Dates, mit der Zeit kommt er eher seinem Coach Dev näher, als den hübschen Kandidatinnen. Das sorgt natürlich für Probleme, denn das Drehbuch schreibt vor, wie die Show enden soll – mit einer kitschigen Verlobung zwischen Charlie und der Gewinnerin und entsprechend viel Marketing um das neue Traumpaar.
Alison Cochrun hat sich als Handlungsort eine Welt ausgesucht, die nur schwer zu fassen ist – es bleibt offen, wie viel von dem, was sie schreibt wahr ist und wie viel Fiktion, doch man kann davon ausgehen, dass es hinter den Kulissen derartiger Shows durchaus so abläuft. Da werden Dramen inszeniert oder künstlich aufgebauscht, Menschen in Rollen gedrängt um die Zuschauenzahlen zu steigern und diejenigen unter Druck gesetzt, die vor und hinter der Kamera dabei sind. Dass es zwischen Dev und Charlie funkt und sich eine romantische Liebe zwischen den beiden anbahnt, überrascht die Leser*innen nicht, dafür jedoch die ernsten Themen, die die Autorin anspricht – mentale Probleme wie Depressionen und Angststörungen, ebenso die Reaktion anderer Menschen auf Personen, die mit derartigen Problemen zu kämpfen haben. Auch queere Themen wie Asexualität und Aromantik werden angesprochen und glaubhaft eingebaut, was die Geschichte angenehm aus der Masse üblicher Gay Romance Romane heraushebt. „The Charm Offensive“ geht mehr in die Tiefe, und wirkt wesentlich authentischer und realistischer als andere Bücher des Genres. Angenehm ist auch, dass die Autorin auf explizite Szenen verzichtet, die nicht so ganz zu den Figuren und der Geschichte gepasst hätten.
Die Figuren sind sympathisch, wirken authentisch und von ihren Handlungen her sehr realistisch. Dass Dev nicht nur der überdrehte, gutgelaunte Typ ist, sondern auch düstere, depressive Phasen hat, macht ihn sehr greifbar. Auch Charlie kann mit seinen Ängsten, Unsicherheiten und Problemen überzeugen – es ist schön mal eine Figur zu lesen, die optisch perfekt aussieht, jedoch mit mentalen Problemen zu kämpfen hat. Als Leser*in erlebt man seine Wandlung und Weiterentwicklung hautnah mit, ist dabei, wenn er allmählich Vertrauen fast und sich mehr und mehr aus seinem Schneckenhaus herauswagt.
Auch die übrigen Figuren sind toll in Szene gesetzt, sehr individuell und eigen. Sie sind die perfekten Supporter für Dev und Charlie, teils lockern sie die Geschichte auf, teils treiben sie die Hauptfiguren in die richtige Richtung.
Stilistisch gibt es wenig zu bemängeln – Alison Cochrun hat einen sehr schönen, flüssigen Schreibstil, der durch gelungene Dialoge, viel Witz und Charme, und schönen Beschreibungen besticht. Man ist schnell in der Geschichte, die abwechselnd aus Sicht von Charlie und Dev erzählt wird, so das man die beiden Figuren sehr gut kennenlernt. Auch die Romanze zwischen den beiden wird glaubhaft und nachvollziehbar gestaltet und entwickelt sich langsam und ohne Hast, was der Atmosphäre des Buchs zugute kommt.
Fazit:
„The Charm Offensive“ ist ein gelungener, atmosphärischer Gay Romance, der mehr zu bieten hat, als eine stereotype, vorhersehbare Liebesgeschichte. Stattdessen spricht die Autorin Alison Cochrun viele ernste Themen an und verleiht der Geschichte und den Figuren einen unerwarteten Tiefgang, den anhand des Klappentextes hätte man eher mit einer lockerleichten Liebesgeschichte gerechnet, anstatt mit mentaler Gesundheit, einer Abrechnung mit dem Trash-TV und Queerness jenseits des schwulen Spektrums. Das macht „The Charm Offensive“ zu einem Roman, der aus dem Rahmen fällt und gerade deswegen viel mehr Aufmerksamkeit verdient hat. Wer tiefgründige, ungewöhnliche Gay Romance jenseits stereotyper Schubladen mag, sollte auf jeden Fall einen Blick riskieren.