Autor*in: Adam Silvera
Übersetzer*in: Lisa Kögeböhn
Taschenbuch: 368 Seiten
ISBN: 978-3038800583
Preis: 13,99 EUR (eBook) / 18,00 EUR (Hardcover)
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Story:
Aarons Leben ist von einer Menge Tragödien geprägt – er lebt mit seiner Familie in einem heruntergekommenen Wohnkomplex, mit seinen Freunden kann er selten über Dinge sprechen, die ihn wirklich berühren und hat bereits einen Selbstmordversuch hinter sich, nachdem sein Vater sich das Leben genommen hat. Und obwohl er mit seiner Freundin glücklich sein sollte, fühlt er sich doch am wohlsten, wenn er mit Thomas unterwegs ist. Er scheint ihn am besten zu verstehen und Aaron ist sich sicher, dass Thomas ebenso schwul ist, wie er selbst. Doch als Thomas ihn zurückweist, entschließt sich Aaron die schmerzlichen Erinnerungen von Leteo, einer neuartigen Firma, die auf Gedächtnismanipulation spezialisiert ist, auslöschen zu lassen. Doch sein Wunsch, alles zu vergessen, löst eine Kettenreaktion aus, die sein Leben erst recht ins Chaos stürzt – denn Aaron kommt nicht zum ersten Mal auf den Gedanken, seine Homosexualität und seine Gefühle vergessen zu wollen, um ein Leben als heterosexueller Teenager zu führen …
Eigene Meinung:
Mit dem mehrfach prämierten Jugendbuch „More happy than not“ erschien der Debütroman von Adam Silvera im Arctis Verlag. Der Roman erschien erstmals 2015 bei Soho Teen, Jahre später kam die Geschichte um Aaron und seine Freunde mit einem neuen Kapitel heraus, das die Geschichte weiterführt und dem Leser ein versöhnlicheres Ende bietet.
Die Geschichte spielt in einem Umfeld, in das man sich nur bedingt einfinden kann – Aarons Welt ist geprägt von Armut und Gewalt; seine Freunde sind entsprechend raubeinig und die Dinge mit denen sie sich die Zeit vertreiben, fast schon brutal. Aarons Freundin Genevieve schient nicht so recht in dieses Umfeld zu passen, ist sie doch Künstlerin und kommt aus einer besser situierten Familie. Als Aaron Thomas kennenlernt, bemerkt er nicht nur, wie viel ihm in seinem normal Umfeld fehlt – sinnvolle Gespräche, offene Worte und das Gefühl, sich nicht permanent verstellen zu müssen – er fühlt sich auch zu ihm hingezogen. Die Frage, ob er schwul sein könnte, bringt Aarons Leben gehörig durcheinander, zumal er in einem Viertel lebt, in dem Homosexualität unzählige Probleme mit sich bringt. An diesem Punkt führt der Autor die fiktive Firma Leteo ein und ergründet die Frage, ob es möglich ist, seine geschlechtliche Orientierung zu vergessen. Denn Aaron versucht alles, um die Erinnerungen an seine Homosexualität auszulöschen und mit Hilfe einer Gedächtnismanipulation „normal“ zu werden.
Adam Silvera entwirft ein spannendes Konzept, was zum Nachdenken anregt. Er scheut sich nicht vor unschönen Ereignissen und gewährt seinem Helden kaum Hoffnung, denn Aarons Welt bietet kaum Möglichkeiten als schwuler Teenager sein Glück zu finden. Seine Sehnsucht dazuzugehören und alle schmerzlichen Erinnerungen zu vergessen, ist nachvollziehbar, wenngleich man sich wünscht, er würde die Kraft finden, zu sich selbst zu stehen. Der Autor wartet mit einigen Plottwists auf, die teils überraschen, teils vorhersehbar waren, aber die Handlung gerade in der zweiten Hälfte des Romans spürbar vorantreiben und Aaron reifen lassen.
Die Figuren sind sehr authentisch in Szene gesetzt, wenngleich sie eher wie Antihelden wirken. Aaron ist weder stark noch in sich gefestigt, sondern innerlich zerrissen. Er braucht lange, um zu sich selbst zu finden und zu erkennen, wer ihm wirklich guttut. Sein regulärer Freundeskreis, allen voran diejenigen, die er von klein auf kennt, sind keine wirklichen Sympathieträger – was jedoch passt, wenn man bedenkt, wo die Geschichte spielt. Dennoch kann man nur schwer nachvollziehen, warum Aaron sich so lange mit Menschen abgibt, die alles hassen und verachten, was nicht in die Norm passt. Genevieve und Thomas sind die einzigen, die sich wirklich Sorgen um Aaron machen und ihm als Freunde zur Seite stehen.
Stilistisch legt Adam Silvera ein starkes, eindringliches Debüt vor, auch wenn er hinsichtlich der Gefühle seiner Figuren etwas mehr auf Abstand zu bleiben sein. Mitunter wirkt die Ausarbeitung etwas oberflächlicher als bei seinen späteren Werken, wo man hautnah bei den Hauptfiguren ist und sie noch besser nachvollziehen kann. Das macht „More happy than not“ nicht schlecht, zumal es sich um das Debüt des Autors handelt. Dennoch scheint es Aaron gar nicht so wirklich zu berühren, als er herausfindet, dass er homosexuell ist und sich eine Zukunft mit Thomas ausmalt. Man spürt weder seine Verwirrung, noch hat man den Eindruck, dass ihn die Wahrheit wirklich aus der Bahn wirft. Dafür ist das Ende passend – sowohl das ursprüngliche, als auch das nachträglich erweiterte passt gut zur Geschichte und den Figuren.
Fazit:
„More happy than not“ ist ein eindringliches Jugendbuch, das durch eine ungewöhnliche Geschichte und einem Antihelden besticht. Adam Silvera hat sich kein leichtes Thema herausgesucht, was gut ist – es ist angenehm ein Jugendbuch zu lesen, in dem kein Happy End vorprogrammiert und die Liebe nicht der ultimative Problemlöser ist. Zusätzlich widmet sich der Roman Themen wie Trauer, Verlust, Suizid, Sexualität und der Suche nach Glück, was „More happy than not“ durchaus zu schwerer Kost macht. Der Autor bietet dem/der Leser*in keine lockerleichte Lektüre, sondern will zum Nachdenken anregen. Wer ungewöhnliche Jugendbücher mit authentischen Figuren voller Ecken und Kanten mag, sollte auf jeden Fall einen Blick riskieren. Zu empfehlen.
“More Happy Than Not” von Adam Silvera hat mich wirklich begeistert, erschüttert und war einfach ein Leseerlebnis, das ich wahlweise mit “Wow!” oder “Puh!” im positivsten Sinne beschreiben würde. Aarons Geschichte ist mitreißend, aufwühlend und tragisch, doch nie überzogen.
Der Protagonist war für mich nicht der typische Sympathieträger, wodurch er mir allerdings umso realer vorkam. Er und auch alle anderen Nebencharaktere wirkten von Anfang an derart echt auf mich, dass es mir nicht schwer fiel, mir vorzustellen, dass sich die Geschichte genauso abspielen könnte. Das Handlungselement der Erinnerungsmanipulation hat dem keinen Abbruch getan. Im Gegenteil. Es fügt sich nahtlos in die Story ein und nimmt die Leser*innen vielmehr mit auf ein spannendes Gedankenexperiment, das dazu einlädt, auch über das eigene Leben nachzudenken.
“More Happy Than Not” greift jede Menge ernste Themen auf, u.a. Suizid, Trauer, Gewalt, Homofeindlichkeit und Armut. Es war stellenweise sehr hart, schmerzhaft und insgesamt eher bedrückend zu lesen, doch genauso gab es schöne hoffnungsvolle Momente, etwas Romantik und große Gefühle. Letztendlich geht es in dem Buch genau darum. Trotz nicht perfekter Umstände eher glücklich als unglücklich zu sein.
Die Handlung hat mich an die Seiten gefesselt und es gab einige Wendungen, die ich so nicht erwartet hätte. Ich muss sagen, dass ich das alte Ende stärker fand als das neue, aber ich werde natürlich nicht spoilern.
Ein außergewöhnliches Buch, wie ich noch nicht viele gelesen habe und das mich garantiert noch eine ganze Weile beschäftigen wird.