[COMIC] Die Favoritin von Matthias Lehmann


Autor: Matthias Lehmann
Hardcover: 160 Seiten
ISBN: 978-3551728166
Preis: 17,99 EUR
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Story:
Constances Leben wird durch ihre strenge Großmutter bestimmt, die jeden ihrer Schritte überwacht. Spielen mit Gleichaltrigen ist ebenso verboten, wie das alte Herrenhaus zu verlassen, das sich abseits einer französischen Kleinstadt befindet. Für Constanze bleibt lediglich ihre Fantasie um die öden Tage zu überstehen und ihre Umwelt auf ihre Art für sich zu entdecken. Als das alte Ehepaar eine neue Verwalterfamilie anstellt, die sich fortan um das Anwesen kümmern soll, lernt Constance erstmals Kinder in ihrem Alter kennen und beginnt sich mehr und mehr gegen die Regeln ihrer Großmutter zu stellen. Doch ihre stille Rebellion und ihre steigende Aggressivität gegen die herrische Frau haben ungeahnte Folgen und sorgen dafür, dass ein schreckliches Geheimnis ans Licht kommt …

Eigene Meinung:
Mit der Graphic Novel „Die Favoritin“ legt der Carlsen Verlag das Debüt des französischen Zeichners Matthias Lehmann vor, der mehrere Jahre an der Umsetzung der Geschichte arbeitete. Der Comic wurde u.a. 2016 für den Comicpreis Angoulême nominiert, einer der wichtigsten europäischen Comicpreise.

Matthias Lehmann erzählt die Geschichte der jungen Constance, die wahrlich kein leichtes Leben hat. Sie steht unter der herrischen Fuchtel ihrer Großmutter, die den Haushalt wie ein General führt und auch vor drakonischen Strafen nicht zurückschreckt. Das wahre Ausmaß wird erst nach und nach ersichtlich, denn der Autor versteht es zunächst dezent darauf hinzuweisen und erst im Laufe der Zeit zu zeigen, wie schwer Constances Leben eigentlich ist. Auch die Tatsache, dass es sich bei der jungen Heldin in Wahrheit um einen Jungen handelt, der von dem alten Ehepaar als Mädchen aufgezogen wird, kommt erst relativ spät ans Licht. Den Leser erwartet eine tieftraurige Geschichte, in der es um Geschlechtsidentität, Kindesmissbrauch und psychischen Krankheiten geht, um Angst und Trauer, aber auch um Fantasie und Hoffnung. Dabei spielt natürlich auch die Zeit, in der die Geschichte spielt, eine große Rolle, denn nicht nur Constances Leben ist davon geprägt (Frankreich der 70er Jahre), auch die Persönlichkeiten ihrer Großeltern sind durch die Vorkriegsjahre geprägt, in denen man alles getan hat, um „geistige“ Krankheiten zu verschweigen oder ganz zu ignorieren. Nahezu alle Figuren sind Opfer ihrer Zeit und nur wenige gehen am Ende des Buches als Gewinner hervor – selbst Constance nicht.

Die Figuren hinterlassen einen tiefen Eindruck beim Leser. Gerade der kleine Junge, der so lange als Mädchen leben musste und nicht einmal seinen richtigen Namen kannte, bleibt im Gedächtnis. Man fragt sich, wie es mit ihm weitergeht, denn Matthias Lehmann lässt sein Werk recht offen enden und regt zum Nachdenken an. Auch stellt man sich zwangsläufig die Frage, wie die Sache ausgegangen wäre, wenn Constances Großvater eher den Mut gefunden hat, die Wahrheit ans Licht zu bringen oder die Familie der alten Frau auf ihre psychischen Probleme anders reagiert hätte, anstatt sie einfach zu verheiraten.

Die Zeichnungen sind gewöhnungsbedürftig, da Matthias Lehmann einen sehr groben Strich hat, der ein wenig an alte Holzschnitte erinnert. Man braucht ein wenig, um sich mit den manchmal etwas starren schwarz/weiß-Zeichnungen anzufreunden. Die dicken Linien und die groben Schraffuren strahlen eine gewisse Düsterheit aus, die sehr gut zum Inhalt des Buches passt und die gedrückte Atmosphäre passend widerspiegelt. Sie vermitteln die richtige Stimmung und sorgen dafür, dass man auch bei den fantasievolleren Szenen, in denen Constance einfach nur Kind sein kann, nicht vergisst, wie schrecklich und deprimierend die Hintergrundgeschichte ist und welch furchtbare Dinge in dem alten Herrenhaus passieren.

Fazit:
„Die Favoritin“ ist ein ungewöhnlicher Comic, der durch eine sehr traurige Geschichte und einen recht eigenwilligen Zeichenstil besticht. Matthias Lehmann legt ein sehr düsteres Debüt vor, das zum Nachdenken anregt und Kindesmissbrauch und Geschlechtsidentität thematisiert. Wer schwere Kost mag und kein Problem mit einigen verstörenden Szenen hat, sollte der Graphic Novel eine Chance geben und einen Blick in „Die Favoritin“ werfen. Allein aufgrund des Endes und der Aufdeckung der Geheimnisse lohnt sich die Geschichte um den kleinen Jungen, der fast sein gesamtes Leben als Mädchen gelebt hat.

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