[ROMAN] Helden von Florian Tietgen


Autor: Florian Tietgen
Taschenbuch: 174 Seiten
ISBN: 978-3-426-43001-9
Preis: 4,99 EUR (eBook)
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Story:
Mit dem übergewichtigen, unsicheren Jan kommt ein Neuzugang ins Heim, der ebenso wie die anderen Jungs schlimme Dinge erlebt hat. Einer von ihnen ist Jonas, der in Jan einen Helden sieht, da diesem etwas gelungen ist, das er nie geschafft hat – den Mut sich gegen seinem Vater aufzulehnen. Jan selbst sieht die Situation allerdings anders, doch mit der Zeit fasst er vertrauen zu seinem neuen Mitbewohner. Schon bald erkennen sie, dass sie etliche Gemeinsamkeiten haben – während sie Jonas Geschichten schreibt und seinen Helden Minky in einer Fantasywelt Abenteuer erleben lässt, flüchtet sich Jan in seine Zeichnungen und Bilder. Nach und nach werden sie Freunde und beginnen sich über ihre Sorgen und Probleme auszutauschen. Zudem baut Jonas den stillen Janko in Minkys Abenteuer ein, der eine ganz ähnliche Vergangenheit hat, wie sein neuer Mitbewohner.

Eigene Meinung:
Florian Tietgen ist ein Garant für außergewöhnliche Geschichten, die zum Nachdenken anregen und in keine Schublade passen. „Helden“, erschienen im eBook Label eRiginal des Droemer Knaur Verlags, ist eine solche Geschichte, denn sie ist in vielfacher Hinsicht originell und anders. Zum einen verläuft die Geschichte nicht linear, sondern ist wie die typischen Rollenspiel-Romane, sprich der Leser kann entscheiden, auf welchem Weg er das Buch liest. Ob er nun erst den Jungs folgt und anschließend in Minkys Welt eintaucht, oder doch den Empfehlungen des Autors folgt, bleibt jedem selbst überlassen. Als Besonderheit wird Jankos/Jans Geschichte in Mangaform erzählt. Die Illustrationen stammen von Daniela Winkler, die Mangafans von ihrem Goth/Vampir-Manga „Grablicht“ kennen dürften.

Wie bei Florian Tietgen nicht anders zu erwarten, legt er eine sehr berührende, tiefgründige Geschichte vor, bei der man zwischen den Zeilen lesen muss, um die Charaktere und den Inhalt vollständig zu erfassen. Vordergründig geht es um Freundschaft, Traumabewältigung und die Macht der Fantasie. Daraus entspinnt er ein sehr schönes Jugendbuch, das zum Nachdenken anregt und Stoff für Diskussionen bildet. Ein wenig Schwierigkeiten bereiten jedoch die unterschiedlichen Sprünge in der Handlung und die Wiederholungen, wenn man (wie ich) beim Lesen dem Tipp des Autors folgt, anstatt die Geschichte auf eigene Faust zu entdecken. Da die jeweiligen Szenen stets sowohl aus Jans, als auch aus Jonas Perspektive beschrieben werden, liest man viele Dialoge und Ereignisse doppelt. Das sorgt mit der Zeit dafür, dass man unwillkürlich einige Passagen überfliegt, wenngleich es interessant ist die Gefühle beider Jungen zu entdecken und herauszufinden, wie sie auf bestimmte Dinge reagieren. Auch wirken die Zeichnungen nicht ganz stimmig, denn sie passen nicht zu den Bildern, die man beim Lesen im Kopf hat. So schön die Idee ist, Jankos Geschichte im Mangastil zu erzählen, die Illustrationen passen nicht ganz zur Geschichte, zumal gerade hierbei die Handlung fast nicht nachvollziehbar ist. Es fehlen erklärende Zwischensequenzen, da es sich nicht um einen erzählenden Manga sondern nur um Einzelbilder handelt, die bei einigen eReadern nur schwer lesbar sind.

Die Charaktere sind sehr realistisch und authentisch in Szene gesetzt. Jonas ist eine sympathische Hauptfigur mit Ecken und Kanten. Man begleitet ihn gerne und lernt ihn im Laufe der Zeit besser kennen. Er ist zwar ein Außenseiter, schafft es jedoch sich mit den übrigen Heimkindern zu arrangieren und aus seiner Situation das Beste zu machen. Er ist weitestgehend vorurteilsfrei und offen, was ihn wesentlich reifer und erwachsener macht, als die übrigen Jungs. Jan hingegen ist eher verschüchtert, ängstlich und von einem tiefen Selbsthass geprägt. Aufgrund seiner Körperfülle hat er gewaltige Komplexe (die jedoch auch von seinem Vater verstärkt wurden). Im Gegensatz zu Jonas steht er noch am Anfang – er muss sich erst einfinden und sein inneres Gleichgewicht finden. Minky, der Held in Jonas‘ Fantasyroman ist dem Autoren sehr ähnlich. Er verkörpert das, was Jonas gerne sein möchte – stark, heldenhaft und mutig.
Die übrigen Figuren kommen eher am Rande vor, dass es um die Freundschaft zwischen Jonas und Jan und die Vergangenheit der Jungs geht, an der beide noch zu knabbern haben.

Stilistisch ist „Helden“ gut gelungen – es bietet solide Unterhaltung, gerade weil Florian Tietgen die Geschichte aus drei verschiedenen Perspektiven schreibt (Minkys Sicht muss man mit einbeziehen, da man durch ihn erfährt, was mit Jonas passiert ist). Es ist bewundernswert, wie gut die Geschichte trotz einiger Wiederholungen ineinander und wie problemfrei man sie im bevorzugten Tempo lesen will. Ob nun kontinuierlich jede Perspektive für sich, oder wechselnd den Tipps des Autors folgend, es ist spannend, ein Buch auf diese Weise zu lesen. Wer Florian Tietgens Werke kennt, kann sich auf ein Buch gefasst machen, bei dem man gefordert wird, denn viele Details verstecken sich zwischen den Zeilen. Daher sollte man den Dialogen und Beschreibungen genau folgen, wenn man sich „Helden“ zu Gemüte führt.

Fazit:
„Helden“ ist ein ungewöhnliches Buch, das angenehm aus der breiten Masse hervorsticht und eine tiefgründige, packende Geschichte über Freundschaft, Vergangenheitsbewältigung und Ängste erzählt. Aufgrund des Aufbaus als Rollensiel-Roman inklusive Mangaillustrationen, fällt es ein wenig schwer sich auf die Geschichte einzulassen, insbesondere wenn man dem Pfad folgt, den der Autor vorschlägt. Besser ist es, die Perspektiven einzeln zu lesen, denn die Sprünge verwirren mit der Zeit und die Wiederholungen fallen störend auf. Dennoch ist Florian Tietgen ein innovatives Buch mit authentischen und lebendigen Charakteren gelungen, das zum Nachdenken anregt und noch lange nachklingt. Zu empfehlen.

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