[ROMAN] Das Kreuz des Kriegers von Madeleine Urban und Abigail Roux


Autoren: Madeleine Urban und Abigail Roux
Taschenbuch: 338 Seiten
ASIN: B017Y97ESU
Preis: 5,14 EUR (eBook)
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Story:
Jeden Dienstag kommt der schweigsame Julian Cross in das Restaurant Tuesday. Unter den Kellnern ist er berühmt berüchtigt, ganz besonders Oberkellner Cameron fiebert dem Besuch des mysteriösen Mannes entgegen. Wochen vergehen bis die beiden ins Gespräch kommen und sich mehr zwischen den ungleichen Männern entwickelt. Doch Julian hat mehr Geheimnisse, als Cameron lieb ist. So taucht er immer wieder mit Verletzungen auf, darunter sogar Schusswunden, die dem Kellner beweisen, dass Julian einem gefährlichen Job nachgeht. Als die Sorge und Angst um Julian immer größer wird, stellt Cameron seinen Liebhaber zur Rede, doch dieser lässt nur wenig von seiner Arbeit nach draußen dringen. Als Cameron die Ungewissheit nicht mehr erträgt, zieht er schweren Herzens einen Schlussstrich – zu spät, wie sich herausstellt. Denn mit Lancaster ist jemand nach Chicago gekommen, der alles daran setzt Julian zu töten und längst mitbekommen hat, was die beiden Männer verbindet …

Eigene Meinung:
Der Einzelband „Das Kreuz des Kriegers“ stammt vom erfolgreichen Autorenduo Madeleine Urban und Abigail Roux, die mit ihrer Gay Thriller Reihe „Cut & Run“ populär geworden sind. Der Roman erschien 2009 bei Dreamspinner Press, 2016 kam die deutsche Fassung des romantischen Thrillers auf den Markt. Weiterlesen …

[ROMAN] Und der Himmel ist doch bunt von Stephanie Mangliers

Autor: Stephanie Mangliers
Taschenbuch: 399 Seiten
ASIN: B01HP2WN32
Preis: 6,99 EUR (eBook) | 14,90 EUR (Taschenbuch)
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Story:
Ein schrecklicher Autounfall ändert Jasons Leben für immer. Nicht nur sterben seine Eltern dabei, ein Schlag auf den Hinterkopf raubt ihm auch die Fähigkeit zu sehen. Fortan muss er mit seiner Blindheit zurechtkommen und kurz darauf auch bei einer neuen Familie einrichten, denn seine Paten nehmen Jason kurzerhand bei sich auf. Dort bekommt er nicht nur einen Blindenhund, er kann auch auf eine normale Schule gehen. Allerdings läuft es in seiner neuen Klasse zu Beginn weniger gut, was vor allem an Patrick und dessen Freunden liegt, die es sich zum Zielgemacht haben Jason zu mobben. Unterstützung erfährt er schließlich von Nick und dessen Clique. Jason findet Freunde und kommt immer besser in seiner neuen Umgebung klar, woran Nick nicht ganz unschuldig ist. Schon bald wird aus der Freundschaft der beiden Jungen mehr und Jason muss sich mit dem Gedanken anfreunden nicht nur blind, sondern auch schwul zu sein …

Eigene Meinung:
„Und der Himmel ist doch bunt“ ist das Debüt von Stephanie Mangliers und erschien 2016 bei der Polygon Noir Edition, dem Jugendbuch/All Age Label des Main Verlags. Das Buch ist nach „Eisprinz und Herzbube“ die zweite Veröffentlichung, die sich an jugendliche Leser richtet. Weiterlesen …

[ZITATE-FREITAG] Im Zimmer wird es still

Hallo ihr Lieben,

meine Wahl fiel dieses Mal auf ein ernsteres Buch, da ich gerne auch die Werke von Jana Walther im Rahmen des Zitate-Freitags vorstellen möchte. Ich liebe ihre sommerlich-leichten und eindringlichen Romane rund um Benjamin, Phillip, Seth und Christoph, dennoch ist es das Buch “Im Zimmer wird es still” das mich ganz besonders berührt hat und noch lange in mir nachgeklungen ist. Man braucht, um den Roman zu verarbeiten und sollte sich genügend Zeit nehmen, um über Andreas und Peter nachzudenken. Deswegen habe ich mir dieses Buch rausgepickt, um es hier vorzustellen.

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meine Rezension

Als sie fertig sind, räumt er ab, und obwohl es noch gar nicht richtig dunkel ist, zieht er die Vorhänge zu. Er tritt an Peters Bett, wischt einige Krümel von der Tischdecke. Peters Hand streicht über seinen Unterarm, sucht seine Hand. Er zieht die Decke gerade.

„Ich geh dann mal rüber, ich will mich hinlegen.“

„Ich bin auch müde“, meint Peter leise.

„Brauchst du noch was?“

„Nein.“

Er küsst ihn auf die Wange. Schließt die Tür leise hinter sich, lässt Peter allein. Er geht durch den dunklen Flur hinüber in sein Zimmer, schließt auch hier die Vorhänge, zieht sich um und legt sich auf die Schlafcouch. Er nimmt die Fernbedienung, dreht sie ein paar Mal in der Hand. Das rote Licht an dem kleinen Fernseher leuchtet nicht. Eigentlich müsste er jetzt aufstehen und ihn anschalten, aber er hat keine Lust mehr fernzusehen, löscht das Licht und schließt die Augen.

‚Du schläfst doch manchmal mit Mark?‘ – Peter hatte das schon vor einiger Zeit vorgeschlagen, aber noch nie danach gefragt, wie es darum steht.

“Im Zimmer wird es still”, Seite 22-23 (c) J. Walther

Der Arzt wollte Andreas sprechen. Erst im Krankenhaus hatte er eine Patientenverfügung ausgefüllt. An der Nervosität des jungen Arztes konnte er erahnen, dass dieser keine guten Nachrichten für ihn hatte. Er sah es in Andreas‘ Gesicht, als er zurückkam. Die Behandlungen hörten auf. Er redete sich ein, die Ärzte wollten die Wirkung abwarten. Glaubte, jenes Medikament könne etwas verbessern. Sie würden eine neue Behandlungsmethode, eine ganz neue Medizin finden.

Dann konnte er sich nicht mehr belügen. Er bat den Arzt um Ehrlichkeit. Scheute sich aber, mit Andreas darüber zu sprechen. Was sollte er sagen. Er wusste, dass er selbst Schuld war, hätte viel früher zum Arzt gehen müssen. Er war wütend auf sich. Es blieb ihm nur, seine Krankheit zu akzeptieren, stark zu sein.

“Im Zimmer wird es still”, Seite 47-48 (c) J. Walther

Er nimmt Peters Züge in sich auf. Seine Haut, die blasser geworden ist. Die Linien neben seinem Mund, tiefer jetzt. Seine Lippen, die Genuss und Sinnlichkeit oder Unwillen mit dem Grad ihrer Weichheit ausdrücken können. Peters Gesicht hat sich kaum verändert, bleibt sein Ankerpunkt im langsamen Verfall seines Körpers. Er will nicht, dass sich auch in Peters Gesicht die Zeichen der Krankheit einschleichen.

Die Stimme singt von Verlust, melancholisch, aber mit der Gewissheit, nicht ohne Halt zu sein. Sie flattert um einen Punkt, nur von einem zurückhaltenden Piano begleitet. Sie steigt auf, verhält, schafft Freiräume für Stille, in denen sie weiter schwingt. Die Musik kriecht in sein Ohr, dann weiter in seinen Körper. Er summt leise mit. Peters Hand berührt seine Wange, sein Daumen streicht über seine Lippen.

Er kann die Traurigkeit zulassen, die in ihm ist. Spürt sie in diesem Moment, als einen Teil von sich. Sie nicht wegzuwischen durch tröstende Worte.

“Im Zimmer wird es still”, Seite 69-70 (c) J. Walther

Er dreht sich auf die andere Seite. Hat schon geschlafen, aber jetzt liegt er wach. Es ist noch vor Mitternacht. Er steht im Dunkeln auf, um zur Toilette zu gehen. Im Flur macht er das Licht an, zuckt vor der plötzlichen Helligkeit zurück. Da hört er einen Schrei aus dem Wohnzimmer. Er reißt die Tür auf, stürzt zu Peter.

Peter schreit wieder, macht die Augen auf. Klammert sich an ihn, als er sich hinunterbeugt. Schluchzt und schreit leise. Er versteht ‚Hilfe‘ und ‚Bitte, bitte‘, verzweifeltes Stammeln. Weiß nicht, was er tun soll.

„Was hast du?“, er merkt, dass er selbst fast schreit. Peters Gesicht ist schweißnass und er ist zu weit weg, um zu antworten. Versucht, sich loszumachen, um den Notarzt zu rufen. Aber Peter lässt ihn nicht los: „Bitte, es tut so weh!“

„Wo? Wo tut es weh?“, fragt er ängstlich.

„Überall.“ Tränen laufen über Peters Gesicht.

“Im Zimmer wird es still”, Seite 86-87 (c) J. Walther

Er geht rüber in die Küche und beginnt, das Abendessen vorzubereiten. Drüben erläutert Mark Peter, wie er in den nächsten zwei Wochen Dienst haben wird, zählt Nachtdienst, Bereitschaft und Doppelschichten auf. Er hört nur mit einem Ohr zu, findet sich auch nicht richtig hinein, bekommt aber trotzdem mit, dass der Dienstplan anstrengend klingt. Nimmt Wurst und Käse aus dem Kühlschrank, verteilt sie auf Teller.

Dann wirft er einen Blick auf die beiden. Mark hat die Decke wieder zurückgeschlagen. Er sitzt jetzt neben Peter auf der Bettkante und flüstert mit ihm. Sie wirken vertraut, fast als hätten sie ein Geheimnis vor ihm. Er fühlt sich ausgeschlossen, als er die beiden so sieht. So wie ihn die Selbstverständlichkeit ausschließt, mit der Mark Peters Decke zurückschlägt, seine Beine massiert. Ihm wird die Kleinlichkeit dieser Gefühle bewusst. Als ob er irgendeinen Grund hätte, sich zu beschweren.

“Im Zimmer wird es still”, Seite 115 (c) J. Walther

„Der Tod wird kommen und deine Augen haben“, flüstert er in Andreas‘ Haar. Andreas legt die Hand an seine Wange. Er genießt Andreas‘ Nähe, ihn ganz bei sich zu haben. Trotzdem kann er den stechenden Schmerz nicht unterdrücken, der ihm plötzlich die Luft nimmt. Er keucht auf, muss husten, aber das Husten tut weh. Andreas hält seinen Kopf. Als der Hustenreiz sich beruhigt hat, sinkt er zurück ins Kissen. Andreas wischt ihm den Speichel vom Mundwinkel. Er versucht, ruhig zu atmen. Andreas streicht über seine Brust.

„Geht schon.“ Der Schmerz ist etwas erträglicher geworden und er versucht, ihn nicht zu beachten. Andreas legt den Kopf auf seine Schulter, sagt nichts.

„Wenn es unerträglich wird, würdest du mir dann helfen?“, fragt er Andreas leise.

„Andreas holt Luft, zögert, drückt dann seine Hand. „Ja.“

“Im Zimmer wird es still”, Seite 157 (c) J. Walther

Ich hoffe sehr, dass ich euch ein wenig neugierig machen konnte und ihr Lust bekommt, dieses ungewöhnliche Büchlein zu lesen – es lohnt sich auf jeden Fall, insbesondere da es gerade erst neu aufgelegt wurde.

Kommenden Freitag setzt der “Zitate-Freitag” leider aus – stattdessen gibt es ab Donnerstag ein kleinen Special rund um Xenia Melzers “Gods of War”-Reihe, die bei Ullstein Forever erscheint. Freut auf auf drei kleine Specials und natürlich eine Rezension zum ersten Teil der Fantasy-Reihe “Casto – Gefährte des Feuers”. Die Woche drauf gibt es natürlich wieder eine neue Ausgabe des Zitate-Freitags.

Liebe Grüße,
Juliane

[COMIC] Nenn mich Kai von Sarah Barczyk


Autor: Sarah Barczyk
Taschenbuch: 80 Seiten
ISBN: 978-3-7704-5529-4
Preis: 14,99 EUR
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Story:
Andrea sehnt sich danach ein Mann zu sein, denn sie mag ihren weiblichen Körper überhaupt nicht. Als sie davon erfährt, dass es Therapiemöglichkeiten gibt, entschließt sie sich, den steinigen Weg zu gehen, um endlich auch optisch dem zu entsprechen, wer sie in Wirklichkeit ist. Natürlich kommen mit dieser Entscheidung Probleme und Zweifel: Wie reagieren ihre Freunde und ihre Eltern auf ihre Transsexualität? Welche Hürden gibt es zu überwinden, bevor Andrea endlich die langersehnte Hormontherapie beginnen kann? Und wie reagiert ihre Umwelt auf ihre Anpassung in Kai?

Eigene Meinung:
Die 80-seitige Graphic Novel „Nenn mich Kai“ stammt von der deutschen Künstlerin Sarah Barczyk, die 2014 das Comicstipendium des Egmont Graphic Novel Verlags gewann und daraufhin den vorliegenden Comic zeichnete. Bis auf einige kleinere Publikationen ist „Nenn mich Kai“ die erste Veröffentlichung der Zeichnerin. Weiterlesen …

[ROMAN] Das Morgen ist immer schon jetzt von Partick Ness


Autor: Patrick Ness
Taschenbuch: 320 Seiten
ISBN: 978-3-570-17266-7
Preis: 13,99 EUR (eBook) | 16,99 (Taschenbuch)
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Story:
Mickey ist ein ganz normaler Jugendlicher, der mit den üblichen kleinen und großen Problemen kämpft – sein Schulabschluss, das Auf und Ab mit seinen Freunden, und seine erste große Liebe Henna. Darüber hinaus leidet er unter einer Zwangsstörung, die ihn dazu zwingt bestimmte Dinge wie Händewachsen, Anziehen oder das Abschließen einer Tür endlos zu wiederholen. Er gehört nicht zu den Finns, Dylans und Sachtels, die in regelmäßigen Abständen die Welt vor der Vernichtung durch Vampire, Göttern, Seelenfressern und Zombies retten und die in regelmäßigen Abständen die Schule in die Luft jagen. So bekommen er und seine Freunde zwar am Rande mit, dass sich eine neue Bedrohung ankündigt, doch glücklicherweise betrifft es sie nicht direkt, so dass sie sich ihrem Alltag stellen können.

Eigene Meinung:
Patrick Ness ist einer der bekanntesten, englischen Kinder- und Jugendbuchautoren, der mit seinen Büchern unzählige Preise gewinnen konnte, darunter auch den Deutschen Jugendliteraturpreis für „Sieben Minuten nach Mitternacht“ (dessen Filmadaption im Herbst 2016 in die Kinos kommt). Er widmet sich oftmals queeren Themen und baut schwule und lesbische Haupt- und Nebenfiguren in seine Geschichten ein. Weiterlesen …

[ZITATE-FREITAG] Fairy-Tale

Hallo ihr Lieben,

dieses Mal habe ich einen Klassiker im Gepäck, den wahrscheinlich schon jeder Gay Romance Fan gelesen hat: “Fairy-Tale” von Rona Cole. Auch wenn mir die Geschichte stellenweise zu lang war, konnten mich Rangerboy und Sugar Plum Fairy doch für sich gewinnen. Man kann sich vorstellen, dass bei der riesigvielen Auswahl an passenden Zitaten nicht alle hier zu finden sind, doch ich habe mich bemüht, euch einen guten Einblick ins Buch zu geben. Wer Per und Phil noch nicht kennt, sollte das nachholen, insbesondere da es eine Fortsetzung gibt, in der es mit den beiden weitergeht.

Da ich nur das eBook habe, sind die Seitenzahlen diesesmal als Prozent angegeben.

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meine Rezension

»Ich gehe dann mal ein frisches Hemd anziehen«, murmle ich betreten.

»Da würde ich mich vielleicht gerne anschließen, wenn ich darf!«, sagt Per. »Ich würde mich auch gerne ausziehen, ich bin ziemlich … heiß …«

Heiß?! Das hat er doch jetzt nicht wirklich gesagt?! Ich meine, natürlich ist er heiß, keine Frage, und ich hätte auch nichts dagegen, wenn er sich auszieht. Nur kann ich mir nicht vorstellen, dass er meint, was er da grade sagt. Schade eigentlich, aber das muss dann wohl definitiv ein Missverständnis sein. Und ich glaube, es ist grade auch nicht der richtige Zeitpunkt um … öhm … also … na ja … eben daran, dass er nackt bestimmt scharf aussieht … zu denken.

»Per, ich glaube, du meinst umziehen, nicht ausziehen oder?«, mischt Malin sich nun ein. »Und heiß sein bedeutet im Deutschen … na ja … jedenfalls nicht das, was du gerade sagen wolltest! Zumindest hoffe ich das für die anderen Gäste hier.« Sie lächelt. Vollkommen gelassen. Und ein bisschen hat sie wohl Spaß daran, sich über ihren Bruder lustig zu machen.

»Entschuldigung!«, murmelt Per betreten und hat dabei ein wenig von einem Schuljungen. »Ich … mein Deutsch, es ist nicht so gut und …«

»Es ist perfekt!«, sage ich schnell und versuche mich zaghaft an einem Lächeln. »Und ich bin es, der sich entschuldigen muss …«

»Ich hab’ das meiste von mein Deutsch vergessen, es ist sehr lange her … kann ich … mich irgendwo umziehen?«, er betont das um jetzt, und beinahe als wolle er sich versichern, dass es richtig ist, sieht er hilfesuchend seine Schwester an. »Ich bin nicht sehr … heiß und … ich hätte nur gerne ein Wasserhuhn für das Jacke!«

“Fairy-Tale”, 4% (c) Rona Cole

»Per ich …« Meine Stimme stirbt irgendwo auf dem Weg. Und es ist längst zu spät. Ich muss ihn jetzt küssen … es ist … ein Reflex. Ich drehe meinen Kopf und sehe ihn an. Sehe sein Gesicht ganz dicht vor meinem, lege meine Hand in seinen Nacken, fühle sein Haar unter meinen Händen, schließe die Augen und biete ihm meine Lippen an. Und wie einen Hauch kann ich seine spüren. Weich und vorsichtig legt er sie auf meine und für einen Moment stehen wir einfach so da und bewegen uns nicht. Es ist ein schöner Moment für mich, es ist aufregend, obwohl eigentlich nicht wirklich irgendwas passiert. Da sind nur seine Lippen, die auf meinen liegen und die ich ganz sanft spüren kann. Ich verteile kleine Küsse auf seiner Unterlippe und taste mich dann, fast schüchtern, mit meiner Zunge vor. Für eine Sekunde kann ich seine spüren. Heiß, feucht und … zaghaft. Aber dann entzieht er sich.

»Philipp, wir sind betrunken«, höre ich ihn murmeln und fühle seine Hand, die meine Wange streift. Ein bisschen enttäuscht öffne  ich die Augen. Spüre seine Finger, die weiter mein Gesicht streicheln. Und dieses Gefühl nach mehr macht sich breit in mir. Ich will ihn. Und ich will, dass er mich auch will.

»Du … Du bist nicht … du stehst nicht auf Jungs, oder?«

“Fairy-Tale”, 13% (c) Rona Cole

»Wie meinst du das?« Irritiert legt er den Kopf schief und sieht mich an. Seine Lippen sind rot von unseren Küssen und sein Haar hängt ihm in die Stirn. Und ich hätte nicht gedacht, dass es mir so schwer fällt. Weil er mir so viel bedeutet …

»Na ja ich … bin ein Teil der Mannschaft … das ist … mein Job. Davon bezahl’ ich diese Wohnung und … Ich bin … Profi. In der NHL. Mein Entry Draft war 1999. Ich hab’s schon in der ersten Saison in die Liga geschafft …«

»Das ist Spaß jetzt, oder?« Offenbar glaubt er mir nicht.

»Nein. Ist es nicht.«

»Eishockeyprofi also … klar … als Schwuler … Welche Nummer hast du? Die Neunundsechzig würde zu dir passen …«

»Achtundzwanzig«, erwidere ich. »Ich hab’ die Achtundzwanzig. Und ich bin nicht schwul …«

»Du weißt aber schon, dass ich ein Kerl bin … und dass wir grade miteinander geschlafen haben, oder?«

»Ja … aber ich … bin offiziell nicht schwul, Philipp.«

»Und inoffiziell?«

»Bin ich in dich verliebt.«

“Fairy-Tale”, 27% (c) Rona Cole

»Wouldn’t you like to introduce each other?«, sagt sie, als sie über das Parkett tapst, auf ihn zugeht und sich ein bisschen unsicher durchs Haar fährt. Für einen Moment überlege ich, ob ich einfach sagen sollte, dass sie bestimmt Emily ist. Oder Pamela, Shirley, Candice, Hannah, Amber, Heather und was mir sonst noch an Namen so einfällt … ganz egal, nur nicht Amanda. Und dass Per schon so viel von ihr erzählt hat. Aber dann lass ich’s. Denn das würde es wohl nicht besser machen.

»Sorry, didn’t know he had a guest …«, sagt sie mit einem Lächeln in meine Richtung.

»Oh ich … I … was just going … !«, sage ich und sehe dabei nicht sie, sondern ihn an. Und ich wünsch’ mir, dass er einfach tot umfällt unter meinem Blick. Aber das wird nicht funktionieren. Nicht mal annähernd. Weil ich mich viel zu sehr drauf konzentrieren muss, nicht einfach anzufangen zu heulen. Weil das hier grade so … demütigend ist … und ich ihn hasse. Weil es so verdammt wehtut …

Unsicher weicht er meinem Blick aus und sieht zu Boden. Wie von fern nehme ich Amanda wahr, die das letzte Stück auf ihn zukommt, sich neben ihn stellt und ihm an meiner statt einen Kuss auf die Wange haucht. Und es zerreißt mich, das zu sehen. Ich meine, es ist nur ein Kuss aber trotzdem tut’s weh. Ich schließe die Augen, weil ich ihr Lächeln nicht sehen will, ihre Finger, die ihm durchs Haar fahren und ich will auch sein rau gemurmeltes Good morning an ihrem Ohr nicht hören. Ich will überhaupt nichts mehr hören … Und auch nichts mehr sehen … Und vor allen Dingen will ich bitte nichts mehr fühlen … Denn das ist es, was ich nicht aushalten kann …

Ich muss raus hier. Schleunigst. Sonst vergesse ich mich …

“Fairy-Tale”, 40% (c) Rona Cole

»Und das heißt wirklich Du har en stor kuk?«, bemüht er sich, es richtig auszusprechen. Klappt bis auf Kuk gar nicht mal so schlecht.

»Jag vet«, antworte ich kauend. Und lege meine Füße auf den Couchtisch. Drei weiße, leere China-Food Kartons stapeln sich vor uns auf dem Boden. Einer geht auf sein Konto, zwei auf meines … die dritte Portion zieh’ ich mir grade rein. Phil liegt mit dem Kopf auf meinem Oberschenkel und spielt mit dem iPhone. Wie es scheint, ist er grade in meinem individuellen Wörterbuch Schwedisch-Deutsch für Ballett-Tänzer angekommen.

»Du willst also, dass ich dir sage, dass du einen großen Schwanz hast?«

»Na ja, warum nicht?«

»Weil er nicht groß ist …«, feixt er.

»Lügner«, murmle ich.

»Okay, vielleicht denk’ ich drüber nach … aber damit eins klar ist, knulla mig kannst du dir abschminken …«

»Vorhin hast du’s gesagt …«

»Ich? Wann?«

»Auf dem Boden … da hast du gesagt, dass ich dich ficken soll.«

»Auf Deutsch klingt es auch nicht, als sei es ein Bett von Ikea … Ich meine … wie kann man da denn bitte ernst bleiben? Wenn es zur Sache geht und jemand knulla mig sagt?«

»Hm«, brumme ich unbestimmt. Als ob Fick mich besser klingen würde. Oder vögeln. Wobei beides seine Wirkung bei mir ja nun bisher nicht wirklich verfehlt hat. Im Gegenteil … als er das vorhin gesagt hat, hat’s mich wahnsinnig scharf gemacht.

»Knulla mig …«, sagt er plötzlich und zwar so, als würde er grade einen Pornofilm synchronisieren. Und er hat ziemlich große Mühe, nicht einen Lachanfall dabei zu bekommen. »Oh ja.. fastare … hårdare … oh … oh … det är så bra … du har so en stor kuk … knulla mig …«

»Wie witzig … Sei vorsichtig, dass ich’s nicht als Aufforderung verstehe.«

“Fairy-Tale”, 48% (c) Rona Cole

Ich bin nicht naiv genug, um wirklich dran zu glauben, dass es anders laufen könnte. Dass die Fans der Rangers sich Regenbogen-Shirts anziehen, ihm zujubeln und hinter ihm stehen … Denn er hat recht … es ist … nicht das New York City Ballett … es ist die NHL … man ist…normal…so, wie alle es von einem erwarten, denn es geht um Geld, viel Geld … Verträge, Sponsoren, vor allem aber ist es ein knallhartes Geschäft … Ein schwuler Verteidiger ist keine fünf Dollar wert … aber fünf Millionen in der Hetero-Version, ganz gleich, ob sie eigentlich nicht existiert … Helden sind nicht schwul … nicht in der NHL … denn die Liga ist noch nicht so weit … noch lange nicht … und ich weiß nicht, ob sie es jemals sein wird … aber, was noch viel wichtiger ist, er ist es auch nicht …

»Scheiße, Phil, was soll ich denn tun? Mein Management sitzt mir im Nacken und … sie … verstehen das nicht … dass ich nicht mehr kann und … das auch nicht mehr will …« Mein Herz krampft sich in meiner Brust zusammen, wenn ich daran zurückdenke, wie er dabei geklungen hat.

»Du willst das nicht mehr?«, hab’ ich leise gefragt. Weil ich nicht sicher war, was er damit meint. Weil ich nie daran gedacht hätte, dass er auch nur einen Gedanken daran verschwendet …

»Ich … weiß es nicht … ich … weiß überhaupt nichts mehr …« Immer noch klang er verzweifelt und so, als stünde er neben sich. Und ich wär so gern bei ihm gewesen … Hätte so viel dafür gegeben, ihm etwas von dem, was er da grade erträgt, von seinen Schultern zu nehmen … die so breit sind … so wunderschön … perfekt … und stark … und die dennoch nur einem sensiblen Jungen gehören, der schon lange am Ende ist … der nicht mehr kann … und der daran zerbrechen wird …

“Fairy-Tale”, 68% (c) Rona Cole

»Phil … ich … du … wir …« Scheiße … ich heule schon wieder … aber es tut einfach so verdammt weh.

»Ich liebe dich«, sagt er noch einmal leise. »Mehr als du dir vorstellen kannst. Aber das ändert nichts an meiner Entscheidung …«

»Du willst also wirklich Schluss machen? Einfach so?«, frage ich zaghaft. Auch wenn ich weiß, dass es sinnlos ist. Er klingt entschlossen. Und ich bin irgendwie viel zu verzweifelt um noch irgendwas darauf zu erwidern.

»Nicht einfach so … ich …«

»Wie denn dann? Ich … versteh’ nicht, was ich falsch gemacht hab’ und … liebst du mich nicht mehr?«

»Doch, Rangerboy … du dummer Kerl … natürlich lieb’ ich dich … und vermutlich werd’ ich niemals wirklich damit aufhören … aber manchmal kann man eben nicht auf sein Herz hören … niemand weiß das besser, als du … schließlich hast du’s elf Jahre lang nicht getan …«

»Es hat keine Feen gegeben, in diesen elf Jahren«, sage ich tonlos. »Keine einzige …«

»Ja«, sagt er. »Ich weiß … aber ich … ertrag’ das nicht …«

»Heißt das, es ist vorbei?« Mir ist schlecht. Ich glaube, ich muss mich übergeben.

»Ja …«, sagt er. »Es ist … besser so … und bitte … ruf’ mich nicht mehr an …«

“Fairy-Tale”, 79% (c) Rona Cole

»Per … ich … bitte … hör’ auf … ich …« Ich flehe beinahe. Weil ich’s nicht er tragen kann, was er mir da sagt. Er soll aufhören … Verdammte Scheiße, er soll aufhören damit … Ich will nicht hören, dass er an mich denkt … dass er mich vermisst und dass es nicht aufhört. Weil ich weiß, wie sich das anfühlt … weil es auch bei mir nicht aufgehört hat …

»Du nimmst einfach mein Geld, ohne mich zu fragen … nachdem du mich verlassen hast … und dann sagst du mir, ich soll aufhören? Ich kann nicht aufhören, Phil … ich … hab’, verdammt noch mal, Gefühle für dich …«

»Ich hab’ auch welche für dich«, sage ich leise und kämpfe mit den Tränen. Und für eine Sekunde denke ich darüber nach, ihn Rangerboy zu nennen. Aber dann tu ich’s nicht.

»Riesigviele«, sage ich stattdessen, »aber … es geht nicht … es ist zu spät … ich … würd’s rückgängig machen, wenn ich’s könnte … wirklich, das musst du mir glauben, aber … ich kann es nicht … selbst wenn ich’s wollte, die Dinge … haben sich verändert … ich kann nicht mehr mit dir zusammen sein, Per …«

»Und warum nicht?«

»Weil ich … vielleicht … krank bin … und ich … Gott … es tut mir leid …« Das Ende meines Satz geht unter in Schluchzen. »Ich liebe dich«, schniefe ich, weil es jetzt sowieso egal ist. »Und ich vermiss’ dich so sehr, seit ich zurück bin …«

»Du bist krank?«, fragt er.

»Ich … es ist nicht sicher …«

»Phil, was ist … mit dir … passiert?«

“Fairy-Tale”, 87% (c) Rona Cole

Dann hoffe ich mal, dass euch meine Auswahl gefällt oder ihr euch jetzt das Buch besorgt 🙂 Ich für meinen Teil werde mir wohl demnächst Band 2 holen, da ich wissen will, wie es mit den beiden weitergeht.

In den kommende 3 Woche n wird es wahrscheinlich keinen Zitate-Freitag geben – ich bin in Urlaub und werde daher nicht so viel Zeit haben, den Blog wie gewohnt zu bespielen. Einige Rezensionen habe ich zwar in petto und vielleicht überrasche ich euch auch mit Zitaten, aber geplant ist erstmal nichts. Sprich wir sehen uns zitatetechnisch leider erst in 4 Wochen wieder. Tut mir leid.

Liebe Grüße,
Juliane

[ROMAN] Zusammen werden wir leuchten von Lisa Williamson


Autor: Lisa Williamson
Taschenbuch: 384 Seiten
ISBN: 978-3-7336-0109-6
Preis: 10,99 EUR (eBook) | 12,99 (Taschenbuch)
Bestellen: Amazon

Story:
Bereits im Alter von acht Jahren weiß David, dass er ein Mädchen sein will. Seinen Eltern möchte er sein größtes Geheimnis nicht offenbaren – diese rechnen bei einem Coming-Out eher mit der Homosexualität ihres Sohnes, nicht damit, dass er Transgender ist. Lediglich Davids beste Freunde Essie und Felix wissen um Davids geheimen Wunsch. Sie halten zu ihm, auch wenn er in der Schule noch so oft von seinen Mitschülern angegangen und beleidigt wird.
Das Blatt wendet sich Stück um Stück als mit Leo ein neuer Schüler auftaucht, der aus einem schlechten Viertel und von einer noch schlechteren Schule stammt. Anstatt dem Mobbing tatenlos zuzusehen, verteidigt er David. Die beiden lernen sich kennen und Leo beginnt David Mathenachhilfe zu geben. Nach und nach werden die beiden Freunde und schon bald wird klar, dass auch Leo ein Geheimnis hat, dass vieles ändern könnte …

Eigene Meinung:
Der Roman „Zusammen werden wir leuchten“ ist das Debüt der Autorin Lisa Williamson und beschäftigt sich als eines der ersten Jugendbücher mit dem Thema Transgender. Die Autorin gewann mehrere Preise und erhielt weitestgehend positives Feedback. Die deutsche Ausgabe erschien 2015 beim Fischer Verlag. Weiterlesen …

[ROMAN] Helden von Florian Tietgen


Autor: Florian Tietgen
Taschenbuch: 174 Seiten
ISBN: 978-3-426-43001-9
Preis: 4,99 EUR (eBook)
Bestellen: Amazon

Story:
Mit dem übergewichtigen, unsicheren Jan kommt ein Neuzugang ins Heim, der ebenso wie die anderen Jungs schlimme Dinge erlebt hat. Einer von ihnen ist Jonas, der in Jan einen Helden sieht, da diesem etwas gelungen ist, das er nie geschafft hat – den Mut sich gegen seinem Vater aufzulehnen. Jan selbst sieht die Situation allerdings anders, doch mit der Zeit fasst er vertrauen zu seinem neuen Mitbewohner. Schon bald erkennen sie, dass sie etliche Gemeinsamkeiten haben – während sie Jonas Geschichten schreibt und seinen Helden Minky in einer Fantasywelt Abenteuer erleben lässt, flüchtet sich Jan in seine Zeichnungen und Bilder. Nach und nach werden sie Freunde und beginnen sich über ihre Sorgen und Probleme auszutauschen. Zudem baut Jonas den stillen Janko in Minkys Abenteuer ein, der eine ganz ähnliche Vergangenheit hat, wie sein neuer Mitbewohner.

Eigene Meinung:
Florian Tietgen ist ein Garant für außergewöhnliche Geschichten, die zum Nachdenken anregen und in keine Schublade passen. „Helden“, erschienen im eBook Label eRiginal des Droemer Knaur Verlags, ist eine solche Geschichte, denn sie ist in vielfacher Hinsicht originell und anders. Zum einen verläuft die Geschichte nicht linear, sondern ist wie die typischen Rollenspiel-Romane, sprich der Leser kann entscheiden, auf welchem Weg er das Buch liest. Ob er nun erst den Jungs folgt und anschließend in Minkys Welt eintaucht, oder doch den Empfehlungen des Autors folgt, bleibt jedem selbst überlassen. Als Besonderheit wird Jankos/Jans Geschichte in Mangaform erzählt. Die Illustrationen stammen von Daniela Winkler, die Mangafans von ihrem Goth/Vampir-Manga „Grablicht“ kennen dürften. Weiterlesen …

[ROMAN] Der Savant von Innis von Susanne Esch

Autor: Susanne Esch
Taschenbuch: 326 Seiten
ISBN: 978-3-942277-29-7
Preis: 5,95 EUR (eBook) | 11,90 EUR (Taschenbuch)
Bestellen: Amazon

Story:
Mit Beginn der Pubertät ändert sich Yuros überschaubares Leben in einem abgeschiedenen Kloster in den Grafilla-Bergen. Er entwickelt besondere Fähigkeiten, die er nur bedingt kontrollieren kann, zudem zieht es ihn in die Welt hinaus, um ein ihm unbekanntes Schicksal zu erfüllen. Als er sich entschließt den Konvent zu verlassen, begleitet ihn sein bester Freund Solus, zu dem er schon immer eine besondere Verbindung hat. Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach ihrer Vergangenheit und müssen erkennen, dass das Schicksal des Planeten Innis, der von außerirdischen Invasoren eingenommen wurde, in ihren Händen liegt. Doch der Weg zur Befreiung ist lang, denn selbst als sich Yuro als Savant entpuppt, ein Wesen, dass alle besonderen Fähigkeiten ihres Volkes in sich vereint, ist er noch lange nicht vor Fehlern gefeit …

Eigene Meinung:
Der Roman „Der Savant von Innis“ stammt von der deutschen Autorin Susanne Esch und erschien 2013 im Titus Verlag. Die Geschichte um Yuro und Solus wurde im März 2015 mit dem Roman „Solus – Reise in die Vergangenheit“ fortgesetzt, der nach den Ereignissen aus „Der Savant von Innis“ spielt. Neben diesen beiden Romanen erschienen weitere Bücher der Autorin im Titus Verlag. Weiterlesen …

[ZITATE-FREITAG] Sutphin Boulevard

Hallo ihr Lieben,

erst am Mittwoch habe ich euch den Roman von Santino Hassell vorgestellt, jetzt möchte ich ein paar Zitate aus dem Roman präsentieren, die mir sehr gut in Erinnerung geblieben sind. Dieses mal sind es recht lange Zitate geworden, aber teilweise ging es einfach nicht anders – ich unterbreche halt ungerne mittendrin (im Grunde gäbe es noch weitere Stellen, die ich gerne zitieren würde). Ich hoffe, die Auswahl gefällt euch und macht euch neugierig – ich kann das Buch empfehlen und freue mich schon jetzt auf Band 2.

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meine Rezension

Zugegeben, es war ziemlich armselig, mich zu verstecken. Aber ich sah nicht ein, warum ich offen schwul sein sollte, bevor ich nicht wirklich fest mit jemandem zusammen war. Mein Schwulsein würde nur heißes Öl auf das Feuer gießen, das schon zwischen mir und meiner Familie brannte – insbesondere zwischen meinem Vater und mir.

Nunzio schnippte vor meiner Nase mit den Fingern. „Was zum Henker hast du nur? Ist es wegen letzter Nacht?“

Mein Gedankenfluss kam abrupt zum Stehen. „Was? Nein! Wieso sollte ich damit ein Problem haben?“

„Hm, lass mich überlegen. Vielleicht weil ich das Pornodrehbuch ein bisschen umgeschrieben und dir meinen Schwanz in den Arsch gesteckt hab?“

„Ay Dios….“ Ich sah mich um. „Sprich leiser.“

“Scheiß auf die Leute hier.“

Ich stieß ihm mit dem Ellenbogen in die Rippen. „Jetzt reg dich ab. Ist nicht deswegen. Wir waren beide betrunken. Es ist passiert. War kein Ding.“

Seine Mundwinkel zogen sich nach unten. „So siehst du das also.“

„So habe ich‘s nicht gemeint, und das weißt du ganz genau.“

“Sutphin Boulevard”, S. 35 (c) Santino Hassell / Dreamspinner Press

„Das hoffe ich, denn dann müsste er auch zugeben, dass er mit seinem früheren Teamleiter geschlafen hat.“

„Früheren Teamleiter?“ Ich setzte mich auf mein Pult. „Papi, Nunzio und ich kennen uns seit 20 Jahren. Damals hast du noch Sesamstraße geguckt und gelernt, aufs Töpfchen zu gehen. Ich bin so viel mehr als sein ehemaliger Teamleiter.“

Triumphierend zeigte David mit dem Finger auf mich. „Hab ich’s doch gewusst. Ihr seid doch zusammen!“

„Nein“, verbesserte ich ihn. „Er ist seit 20 Jahren mein bester Freund. Wir haben nichts miteinander. Das war das erste Mal, dass wir je sowas gemacht haben. Du hast uns inspiriert.“

„Blödsinn.“

„Wieso Blödsinn?“

David ließ die Hand sinken. „Wie er dich angesehen hat, wie du deine Finger nicht von ihm lassen konntest – es hat einfach so ausgesehen, als wäre er dein Lover. Davon, dass er kein Kondom benutzt hat, ganz zu schweigen.“

“Sutphin Boulevard”, S. 61 (c) Santino Hassell / Dreamspinner Press

„Ich bin stolz auf dich, Michael. Ich wollte, dein Bruder wäre mehr wie du.“

„Dann benimm dich doch so. Versuch ihm beizubringen, wie man ein Mann wird. Hilf ihm, sich einen Job zu suchen, frag deine Freunde, ob sie jemanden kennen, der ihn einstellt. Tu irgendwas, außer ihn schlechtzumachen. Mach das, was du verdammt nochmal schon vor Jahren hättest tun sollen, dann fängt er vielleicht auch an, darüber nachzudenken, ob er Respekt vor dir haben sollte.“ Ich zog die Vorhänge zu. „Sei sein Vater und hör auf, eine Last zu sein.“

„Bald bin ich tot, dann falle ich keinem mehr zur Last.“

Er sah mich an und wartete auf eine Reaktion, aber ich behielt den gleichgültigen, harten Ausdruck bei. Ich weigerte mich, ihm zu zeigen, wie seine Worte mich innerlich aufwühlten und die Flasche in meiner Hand schwerer und schwerer machten. Ich hatte ganz vergessen, dass ich sie immer noch umklammert hielt.

Ich stellte die Flasche auf dem Couchtisch ab und zuckte die Achseln, als wäre er mir gleichgültig. Es war einfacher, ihn weiter abzulehnen, als ihm zu zeigen, wie vollkommen unvorbereitet ich darauf war, den zweiten Elternteil auch noch zu verlieren.

Das Schweigen zwischen uns zog sich in die Länge und wurde nur unterbrochen vom entfernten, dumpfen Aufprall des Balls auf Beton, dann drehte Joseph sich mit feuchten Augen weg.

Ich biss mir auf die Backe, um mich davon abzuhalten, mich zu entschuldigen und sah ihn mit gesenktem Kopf aus dem Zimmer gehen.

“Sutphin Boulevard”, S. 98 (c) Santino Hassell / Dreamspinner Press

„Ach, das Übliche. Papa unterstellt doch schon immer, dass Nunzio mich langsam schwul macht.“

„Dann sag ihm doch einfach, dass du auch schon schwul warst, bevor du Nunzio kennengelernt hast.“

Nunzio zog gerade an der Pfeife, und bei Raymonds Worten verschluckte er sich am Rauch und fing an zu husten.

Ich starrte meinen Bruder an. Jetzt war ich es, der so tat, als sei er ein Ölbild. Ich versuchte, mein Gehirn neuzustarten, aber alles, was ich herausbrachte, war ein schwaches „Hä?“, während Nunzio nach Luft schnappte und mit der Hand auf die Matratze schlug.

Raymond rollte die Augen. „Ja denkst du denn ernsthaft, ich bin bescheuert? Wir haben uns verdammt nochmal ein Zimmer geteilt, Alter. Und ich bin dir überall nachgelaufen, als ich klein war. Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich es nicht mitbekommen habe, wenn du immer aufs Dach oder hinter den Klos am Teich verschwunden bist?“

Die viel entscheidendere Frage war, warum ich mir eigentlich so sicher gewesen war, dass meine Ausflüge in den Captain-Tilly-Park unentdeckt geblieben waren, und warum ich nie darauf gekommen war, dass mein nerviger kleiner Bruder mir einfach folgen würde, wenn ich ihn mal wieder abgehängt hatte.

Beim Gedanken, dass der kleine Raymond beobachtet hatte, wie irgendein Typ bis zum Anschlag in meinem Mund oder meinem Hintern steckte, hätte ich mich am liebsten von der nächsten Brücke gestürzt.

“Sutphin Boulevard”, S. 149 (c) Santino Hassell / Dreamspinner Press

„Pa ist tot.“ Raymond klang hölzern. Er sah auf seine Füße hinunter. Sie waren nackt. „Ich hab versucht, ihn zu wecken, aber er ist nicht aufgewacht. Ich dachte, er schläft.“

Das Gefühl in meiner Brust war vertrauter als mir lieb war: In mir breitete sich ein Loch aus, das immer größer wurde. Es war so dunkel, dass es mein Herz verschluckte und mir die Luft abschnürte.

„Ich …“

Ich sah den Polizisten an, aber er war schon mit etwas Anderem beschäftigt. Das Loch in meiner Brust wuchs weiter und schluckte all meine Gefühle wie ein Vakuum. Raymonds Finger gruben sich in meinen Arm.

„Ich … hätte dich anrufen sollen. Ich hab nicht nachgedacht … ich wusste nicht …“

„Ist okay. Ich kümmere mich drum, Ray. Du kannst hier bleiben.“

„Nein.“ Raymond kam näher und umklammerte mich fester. „Nein, ich komme mit.“

“Sutphin Boulevard”, S. 174 (c) Santino Hassell / Dreamspinner Press

„So wie Clive?“

Die Pause zog sich hin, aber Nunzio senkte nicht die Augen. Ich fürchtete, das Falsche gesagt zu haben, oder die falsche Frage gestellt zu haben – und das auch noch viel zu spät. An seiner Wange bebte ein kleiner Muskel, und schließlich zuckte er die Achseln.

„Ja. Und er hat es mir unter die Nase gerieben, so oft er konnte, weil er wusste, dass ich dich wollte. Er ist mir sofort auf die Schliche gekommen.“

„Aber ich hab nie was gemerkt.“

„Weil du so an mein Verhalten gewöhnt warst, dass du dachtest, es sei ganz normal. Und es war ja nicht so, dass ich mich jede Nacht nach dir verzehrt habe, aber er hat eben gesehen, wie ich dich manchmal ansehe. Er hat gemerkt, wie es mich fertig gemacht hat, wenn er dich abgeknutscht hat, wenn er dich Baby genannt hat, all diese kitschige Kacke. Und er wusste, wie furchtbar ich die Vorstellung fand, dass du je mit ihm zusammenziehen würdest. Damit bin ich aufgeflogen, an dem Tag, als wir darüber sprachen.“ Nunzio schnaubte leise. „Du warst einkaufen und hast mich mit dem Idioten alleine gelassen, und er hat davon angefangen. Ich muss so ausgesehen haben, als hätte mir gerade einer die Eier abgeschnitten, und von da an wusste er genau, was mit mir los war.“

„Ich wär nie im Leben mit ihm zusammengezogen.“

„Vielleicht nicht. Aber du hast es trotzdem ernst gemeint mit ihm. Ich war früher schon eifersüchtig auf deine anderen Kerle, aber da ging es um Sex. Die durften dich anfassen und ich nicht. Aber mit Clive … eine Zeitlang sah es wirklich so aus, als würdet ihr zusammenbleiben. Es war einfach anders.“

“Sutphin Boulevard”, S. 203 (c) Santino Hassell / Dreamspinner Press

Der nächste Gedanke schoss mir so schnell durch den Kopf, dass ich erschrak.

Ich wollte nach Hause, duschen und dann meinen Kater mit einem Drink bekämpfen. Ich wollte es so sehr, dass ich es förmlich schmecken konnte. Ich konnte die Erleichterung spüren, spüren, wie meine Kopfschmerzen nachließen und wie meine Anspannung sich löste. Ungefähr 30 Sekunden lang wies ich den Gedanken von mir. Dann sagte ich mir, dass ein einziger Drink nicht schaden würde. Nur um den Kopf wieder klar zu bekommen. Nur zum Entspannen und um den Kater loszuwerden. Aber würde ein Drink wirklich ausreichen? Meine Toleranz war mittlerweile so groß, dass es etwas Starkes sein müsste …

Zum ersten Mal seit Wochen war ich ausgeruht und hatte keine Giftstoffe mehr im Blut. In der Helligkeit des flimmernden Lichtes sah ich viel zu klar, wie sehr diese Gedanken all das bestätigten, was Raymond gesagt hatte.

Scheiße.

“Sutphin Boulevard”, S. 229 (c) Santino Hassell / Dreamspinner Press

„Wenn eins zum anderen kommt …“ Ich machte eine Pause und versuchte in Worte zu fassen, was mich jeden Tag beschäftigte. Es war schwierig, auszudrücken, was einer der Hauptgründe dafür war, dass ich in der Therapie nie etwas sagte. „Wenn etwas passiert, das ich nicht in Ordnung bringen oder kontrollieren kann, bin ich so gestresst, dass ich mich abschalten muss. Sonst drehen sich meine Gedanken die ganze Zeit im Kreis.“ Ich drehte den Finger neben meinem Ohr. „Ich kann nicht schlafen, also bleibe ich wach und brüte weiter. Am nächsten Tag bin ich dann total fertig, und dann wird es nur noch schlimmer. Alles ballt sich in meinem Kopf zusammen, bis ich kurz davor bin zu explodieren, und ich denke immer wieder die gleichen beschissenen Gedanken. Es endet damit, dass ich will, dass es aufhört, und das passiert nur, wenn ich aufhöre, ich selbst zu sein und mir selber entkomme. Meinen Problemen. Einfach allem.“

„Und das gelingt dir, wenn du trinkst?“

„Das gelingt mir, wenn ich trinke.“

Fix nickte verständnisvoll. „Also hast du lieber einen Filmriss als du selbst zu sein?“

„Manchmal schon. Und ich weiß genau, wie es sich anhört.“

„Es klingt so, als ob du ein schwarzes Loch willst und nicht die Wirklichkeit. Lieber eine große Lücke als dein Gedächtnis. Und immer, wenn mir jemand so etwas erzählt, frage ich mich, wie lange es noch dauert, bis sie für immer weg sein wollen.“

“Sutphin Boulevard”, S. 258 (c) Santino Hassell / Dreamspinner Press

Damit verabschiede ich mich für diese Woche – mal schauen, was ich mir für die kommende Woche rauspicke. Aktuell habe ich noch keine Ideen. Wie immer könnt ihr mir eure Wünsche mitteilen – ich würde mich freuen.

Liebe Grüße,
Juliane