Autor: Anthony Ryan
Hardcover: 859 Seiten
ISBN: 978-3608960181
Preis: 9,99 EUR (eBook) | 24,95 EUR (Hardcover) | 15,00 EUR (Taschenbuch)
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Story:
Vaelin Al Sorna ist in den Vereinigten Königreichen eine lebende Legende, doch der unter vielen Namen bekannte Krieger ist des Kämpfens müde und sehnt sich nach Ruhe und Frieden. Als er vom recht schwachen, neuen König in die Nordlande entsendet wird um dort Herr des Turmes zu werden, kündigen sich bereits neue Schrecken an, die das gesamte Land ins Chaos stürzen könnten. Das machthungrige Volarianische Kaiserreich hat einen perfiden Plan ausgearbeitet, um das Land in die Knie zu zwingen, doch dieses Mal liegt es nicht nur an Al Sorna die dunkle Bedrohung abzuwenden, sondern auch an der jungen Reva, die eine besondere Mission erfüllen muss, Prinzessin Lyrna, die angesichts der düsteren Bedrohung über sich hinauswachsen muss und dem jungen Ordensbruder Frentis, der zu Beginn unfreiwillig Teil der Machenschaften der Volarianer wird. Für Vaelin Al Sorna wird seine dunkle Gabe, Das Lied des Blutes, zu seiner wichtigsten Waffe gegen die übermächtigen Feinde …
Eigene Meinung:
Mit “Der Herr des Turmes” legt Anthony Ryan den zweiten Teil seiner “Rabenschatten”-Trilogie vor, die beim Klett Cotta Verlag auf Deutsch erscheint. Die Geschichte knüpft lose an den ersten Teil “Das Lied des Blutes” an und sollte nicht ohne Kenntnisse des vorherigen Bandes gelesen werden, da die Ereignisse aufeinander aufbauen und einige offene Punkte aus Band 1 in “Der Herr des Turmes” beantwortet werden. Der dritte und letzte Band ist unter dem Titel “Queen of Fire” erschien im Sommer 2015 in den USA, die deutsche Veröffentlichung kam im September 2016 auf den Markt. Inzwischen liegen alle Bücher der Reihe auch im Taschenbuchformat vor.
Im Gegensatz zum ersten Band erzählt der Autor die Handlung nicht nur aus Vaelins Perspektive, sondern fächert den Plot auf und stellt drei weitere Figuren ins Zentrum: Reva, Lyrna und Frentis. Dadurch verliert der Leser zwar ein wenig den Bezug zu Vaelin Al Sorna (zumal “Das Lied des Blutes” noch in der Ich-Perspektive verfasst wurde), doch seine Vergangenheit ist erzählt und es tut der weiterführenden Handlung gut, dass die Geschichte von mehreren Personen aufgerollt wird. Sie wirkt dadurch dreidimensionaler und in sich schlüssiger, zumal sie wesentlich komplexer ist, als die Handlung des ersten Bandes. So erfährt der Leser erstmals von dem Volarianische Kaiserreich, das in Band 1 bereits im Dunkeln agierte, ohne dass sie namentlich benannt wurden. Auch wird auf die große Schlacht und den eigentlichen Gegner hingearbeitet, der im dritten Band der Reihe endlich in Erscheinung treten dürfte. Bis dahin muss sich der Leser jedoch unzähligen blutigeren Schlachten und Kämpfen, einem wahren Berg an verstümmelten Leichen und unendlichen, mitunter zeitraubenden Monologen und Dialogen entgegenstellen. Das passt zwar zu der rauen und düsteren Fantasywelt, mit der Zeit stumpft man jedoch ab und die Geschichte wird mitunter künstlich in die Länge gezogen. Dafür wird im zweiten Band endlich das komplexe Gebilde im Hintergrund aufgedeckt, denn Vaelin und seine Gefährten haben es mit einer weitreichenden Intrige zu tun, die die Welt, in der sie leben für immer verändern könnte. Daher bleibt es trotz einiger Längen die meiste Zeit spannend und man fiebert der Fortsetzung entgegen.
Die Charaktere sind authentisch und lebendig, jedoch wirken die vier Handlungsträger mehr und mehr wie Superwesen, denen man nur schwer das Wasser reichen kann: Vaelin ist dank seiner dunklen Gabe und seiner harten Ausbildung ein wahrer Überkrieger, den nahezu niemand besiegen kann; Frentis entwickelt aus verschiedenen Gründen Fähigkeiten, die ihn unantastbar machen und Prinzessin Lyrna überragt jeden mit ihrer Intelligenz und ihrer Willenskraft. Den Vogel schießt jedoch Reva ab, die binnen kürzester Zeit sowohl das Schwert als auch den Bogen meistert (Vaelin mag zwar ihr Lehrer sein, doch eine derartige Entwicklung ist vollkommen unrealistisch) und von einer fanatischen Attentäterin zur Statthalterin und Befreierin von Alltor mutiert. Diese Wandlung ist weder nachvollziehbar noch realistisch, was gerade sie eher unglaubwürdig macht. Dafür hat sie einige Geheimnisse, die sie trotz allem zu einer sehr interessanten und ungewöhnlichen Heldin machen – insbesondere da sie sich für Frauen interessiert und innerhalb des Bandes zu einer starken, lesbischen Hauptfigur wird. Allein deswegen lohnt sich das Buch dann doch, da Anthony Ryan diesen Aspekt ihres Charakters sehr gut umsetzt und eine starke lesbische Heldin aufbaut.
Die Nebenfiguren sind zahlreich und sehr unterschiedlich. Anthony Ryan legt Wert auf Abwechslung, was man an den vielen Charakteren, die im Laufe der Geschichte eine Rolle spielen merkt. Seien es alte Bekannte, die man bereits aus dem ersten Teil kennt, oder neue Figuren, die sich als wichtige Verbündete oder Gegner entpuppen – alle haben ihre Vor- und Nachteile, was sie lebendig und greifbar macht. Dies ist ein großer Pluspunkt an der “Rabenschatten”-Trilogie: die Charaktere wirken nicht konstruiert, sondern agieren zumeist nachvollziehbar und realistisch.
Neben der soliden, sehr authentischen Fantasywelt und den greifbaren Charakteren, ist Anthony Ryans Schreibstil Hauptgrund zur “Rabenschatten”-Trilogie zu greifen. Er hat einen ungemein fesselnden, ausgereiften und mitreißenden Stil, der es dem Leser schwermacht, das Buch aus der Hand zu legen. Dank seiner bildgewaltigen Sprache und seines reichhaltigen Wortschatzes erweckt der Autor die Welt der Vereinigten Königreiche zum Leben, ohne sich in endlosen Beschreibungen und Ausschmückungen zu ergehen. Er bringt die Geschichte auf den Punkt, so dass man die Handlungsstränge sehr gut nachvollziehen kann.
Dennoch gelingt es “Der Herr der Türme” nicht ganz an den fantastisch geschriebenen Vorgänger anzuschließen, was zum einen an dem Bruch des Erzählstils liegt (vom Ich-Erzähler in Band 1 zur dritten Person in Band 2) und den unterschiedlichen Perspektiven (bezieht man den Chronisten Vernies mit ein, gibt es fünf) liegt. Letztere wechseln jedes Kapitel, zumeist mit einem kleinen Cliffhanger, was mit der Zeit nervt, da man aus dem Lesefluss gerissen und sich auf eine andere Figur einstellen muss. Gerade Vernies’ Berichte am Anfang eines jeden längeren Abschnittes (das Buch ist in fünf Teile aufgesplittet) verwirren ein wenig, da diese nicht chronologisch zu den übrigen Ereignissen stattfinden, sondern nur eine sehr kurze Zeitspanne abdecken.
Fazit:
Trotz alle Kritikpunkte legt Ryan Anthony eine solide, spannende und fesselnde Fortsetzung seiner “Rabenschatten”-Trilogie vor. Die Geschichte wird komplexer und bietet dem Leser Kämpfe, Intrigen und die Aussicht auf ein packendes Final; die Figuren sind authentisch und gut ausgearbeitet, wirken mitunter aber etwas überboostet und unbesiegbar. Stilistisch muss man sich war an die neue Erzählstruktur und die wechselnden Perspektive gewöhnen, doch Anthony Ryan versteht es einmal mehr mit seiner bildgewaltigen, direkten Sprache zu begeistern. Wer “Das Lied des Blutes” mochte, dem wird auch “Der Herr des Turmes” gefallen und mit freudiger Erwartung dem Finale entgegenfiebern.
Kann es sein, dass du meinst, dass der dritte Teil dieses Jahr im September erscheint? (Im Text steht 2016.) Danke für die Auskunft.
Huhu,
die Rezension ist älter – ich seh gerade, dass ich den Punkt nicht angepasst habe, sondern die Rezi einfach nur von einer anderen Plattform (für die ich die Bücher mal rezensiert habe) rüberkopiert habe. Die reihe ist inzwischen komplett erschienen, sogar als Taschenbuch. Ich passe das an, damit es nicht irritiert 🙂
Danke für den Hinweis.