[INTERVIEW] Serena C. Evans

Am Tag vor dem Gewinnspiel, bei dem es tolle Preise abzustauben gibt, geht wie immer das Autoreninterview online. In den letzten Tagen habt ihr die lesbischen Werke der Autorin kennengelernt und ein wenig mehr über ihren Fantasyroman “Narbenmond” erfahren. Aber Serena ist nicht nur im lesbischen Genre unterwegs, sondern hat auch Bücher mit schwulen Helden geschrieben – über die erfahrt ihr hier ein bisschen mehr 🙂
Wer mehr über die Autorin wissen möchte, folgt ihr am besten auf Facebook – dort ist sie sehr aktiv und gibt regelmäßig Einblicke in ihre neuesten Projekte.

Du bist den Lesern inzwischen bekannt und hast sowohl im lesbischen, als auch im schwulen Genre mehrere Veröffentlichungen vorzuweisen. Gibt es etwas, das du zu deiner Vorstellung erzählen möchtest, das bisher kaum jemand über dich weiß?
Ich mag lila *lach* Okay, das dürfte kein Geheimnis mehr sein. Hoffentlich auch nicht, dass ich ziemlich viel Herzblut in meine Geschichten investiere.

Hm … ich halte Schildkröten für Glücksbringer und ich finde Lakritz toller als Schokolade, zählt das als Geheimnis? Nein, ernsthaft, ich glaube ich habe wenige Geheimnisse. Alles was man über mich wissen muss, weiß jeder, den es interessiert. Ich bin ein sehr offener, bunter und manchmal zu sensibler Mensch. Und natürlich immer mit einem Hauch lila Glitzer 😉

Welchem Job gehst du hauptberuflich nach?
Hauptberuflich bin ich aus tiefster Überzeugung und mit ganz viel Leidenschaft Bibliothekarin. Ich kann ganz ehrlich sagen, dass ich gleich zwei Traumberufe für mich gefunden habe. Damit das Schreiben eben nicht nur Hobby ist, habe ich bewusst nur eine Halbtagsstelle als Bibliothekarin. Es war mir auch wichtig, meiner Familie gegenüber durchzusetzen, dass es harte Arbeit aber eben auch eine ganz große Leidenschaft von mir ist Bücher zu schreiben.

Wann hast du mit dem Schreiben begonnen? Gab es einen Auslöser, der dich zum Schreiben brachte?
Als Kind wurde mir sehr häufig gesagt, dass ich zu viel Fantasie habe. Es war leider nie als Kompliment gemeint. Bereits in der Schule habe ich Geschichten erfunden und aufgeschrieben. Da ich in meiner Schulzeit sehr viel Mobbing und Gewalt erlebt habe, war das meine Flucht aus der Realität. Ich konnte mir Welten erschaffen, in denen ich Akzeptiert werde. Und es andere Außenseiter wie mich gibt. Vielleicht schreibe ich auch deswegen immer noch gerne über Antihelden, aber Personen, die ihren Platz in der Welt erst noch finden müssen.

Es gibt ja nicht viele Autor*innen, die in beiden Richtungen aktiv sind. Was liegt dir mehr – lesbische oder schwule Held*innen?
Ich mag beides sehr gerne. Da das lesbische Genre sehr stiefmütterlich behandelt wird, liegt es mir vielleicht insofern mehr, dass ich häufig das Gefühl habe für die Anerkennung dieses wunderbaren Nischengenres kämpfen zu müssen. Zudem kommt es mir vor, dass dort noch mehr „Pionierarbeit“ geleistet werden muss. Und ich kann mich dort mehr austoben. Ich habe selbst meine Bachelorarbeit über lesbische Literatur geschrieben, weil mir das Thema so wichtig ist.

Gibt es Unterschiede innerhalb deiner Leserschaft (in Hinblick auf deine schwulen und lesbischen Geschichten)?
Erstaunlicherweise kann ich da keinen roten Faden feststellen. Es gibt zwar einige die nur das eine oder andere von mir lesen, aber da kann ich keinen bestimmten „Typ“ ausmachen. Ich habe auch einige männliche Leser, was mich überrascht und sehr freut.

Wie viel Zeit brauchst du, um ein Buch zu schreiben?
Aktuell leider viel zu lange. 4-6 Monate schätzungsweise. Dadurch das in meinem Leben in letzter Zeit viel los war mit Bachelorarbeit, neuem Job usw. kam ich nicht so viel zum Schreiben, wie ich es mir gewünscht habe. Das wird nach meinem nächsten Jobwechsel dann hoffentlich besser.

Du probierst dich in verschiedenen Genre – gibt es eins das dich ganz besonders reizt und worin du dich gerne einmal austoben möchtest?
Meine Familie möchte unbedingt, dass ich einen Krimi schreibe, aber das ist nicht meine Welt. Leider verstehen viele nicht, warum das Schreiben keine bewusste sondern eine emotionale Geschichte ist. Ich kann nur das Schreiben, für das ich voll und ganz brenne. Mit Herzblut oder gar nicht, selbst wenn dieser Idealismus es mir finanziell oft schwer macht. Ich werde auf jeden Fall Lesbian und Gay Romance treu bleiben und es vielleicht immer Mal wieder mit Fantasy mischen. Das sind zumindest meine Pläne. Ich gebe aber keine Garantie für meine Muse. Am Ende macht das Mistvieh ja doch wieder, was es will.

Was sind Deine aktuellen Projekte? Auf was können sich die Leser als Nächstes freuen?
Ich habe einiges geplant. Ich möchte aus „Die Wölfin und ich“ eine Reihe machen, zudem eine Geschichte über Yuri aus „Regenbogentränen“ schreiben und noch vieles mehr. Außerdem liebäugle ich damit etwas über einen trans Mann zu schreiben (wenn auch im Bereich Fantasy). Nebenher funkt mir meine Muse immer wieder mit neuen Ideen dazwischen. Also die werden mir in den nächsten Jahren nicht ausgehen. Es gibt noch so vieles das Schreiben will, noch unzählige Charakter, die ich kennenlernen muss, noch so viele Welten und Ideen … meine Fantasie kennt wenig Grenzen.

„Narbenmond“ ist ein Fantasy-Projekt – wie bist du darauf gekommen, die Geschichte in dem Genre anzusiedeln?
Klischeehafterweise kam mir die Idee dazu im Traum. Das klingt furchtbar abgedroschen, ist aber wahr. Ich wollte etwas über einen strahlenden Ritter schreiben, der scheinbar alles hat … und in Wahrheit eben kein Mann ist. Außerdem gibt es im Fantasybereich weniger Grenzen. Ich kann meiner Muse freien Lauf lassen. Ich liebe es neue Völker zu entwickeln, eigene Geschichten, Regeln … In meinem Beruf als Bibliothekarin muss ich sehr viel recherchieren und das tue ich gerne, aber beim Schreiben liegt es mir mehr, meiner Fantasie freien Lauf zu lassen. Es fühlt sich dann mehr wie „nach Hause kommen“ an.

Deine Heldinnen aus „Narbenmond“ leben in einer stark patriarchalischen Welt – warum hast du dich entschieden, deine Fantasywelt so aufzubauen?

Ich bin überzeugte Feministin und erlebe immer wieder Diskriminierung auf Grund meines Geschlechts. Manchmal macht mich das unglaublich wütend und ich fand eine taffe Axtkämpferin dafür eine wunderbare Metapher. Caleb wird zu ihrer eigenen Sicherheit als Junge aufgezogen und muss immer verstecken wer sie ist. Auf der anderen Seite scheint Morgana als Heilerin am Hofe alles erreicht zu haben und erlebt dennoch, dass sie noch immer nicht so frei ist, wie die Männer. Beide lernen ganz unterschiedlich damit umzugehen und ihren Platz zu finden. Irgendwann kann ich mir aber auch vorstellen, über eine Welt zu schreiben, in der Frauen das sagen habe. Ich stelle es mir schwierig vor, weil wir immer noch sehr patriarchalischen erzogen werden. Wir verbinden Männer mit Stärke und Dominanz und Frauen mit Sensibilität und Eleganz. Caleb dreht genau dieses Bild um. Als Frau beschützt gerade sie den König, auch wenn sie sich als Mann ausgibt.

Würdest du gerne in die Welt von „Narbenmond“ zurückkehren und einen Spin-Off schreiben – vielleicht sogar einen schwulen?
Es gibt quasi schon ein schwules Spinn-Off. In „Das Schicksal einer Sternschnuppe“ kehren wir in die gleiche Welt zurück. Prinz Kayran ist der jüngere Bruder von Königin Gwendolyn (einer Nebenfigur aus Narbenmond). Außerdem liebäugle ich damit die Vorgeschichte von Arturo und Aureno zu schreiben. Ich mag die beiden Männer sehr gerne, weil sie so unterschiedlich sind und sie ihre Liebe ähnlich versteckt halten müssen wie Caleb und Morgana. Auch Perceval und Uther hätten eine eigene Geschichte verdient. Ich mag die Welt sehr gerne. Egal ob die königliche Garde oder der Clan der Finder, es gibt dort ganz ungewöhnliche Formen einer Familie. Darüber zu schreiben fühlt sich vertraut an.

Mit „Der Fluch der Herzkönigin“ hast du dir ein bekanntes Kinderbuch vorgenommen und eine lesbische Märchenadaption daraus gemacht. Was fasziniert dich an „Alice im Wunderland?“
Ich liebe das ursprüngliche Märchen, weil es so gar keine typische Kindergeschichte ist. Es gibt nicht den erhobenen Zeigefinger und stattdessen werden im Wunderland die Fantasie und ja auch der Wahnsinn gefeiert und gelebt. Zudem hat es eine unglaubliche starke Symbolik. Es hat wahnsinnig Spaß gemacht meine eigene freie Version zu schreiben und die bekannten Elemente als Start für etwas Eigenes zu nutzen. Außerdem liebe ich meine Hutmacherin Fay. Sie ist eine unglaublich starke und zugleich schrecklich einsame Frau. Daneben Alice, die versucht in eine Welt zu passen, die nie so richtig ihre eigene war. Ich würde unglaublich gerne einmal mit Fay, Alice, Hazel und Cole eine Teeparty veranstalten. Die einzige Runde, in der selbst ich normal wirken würde.

Du arbeitest ja an einer Fortsetzung der Geschichte – magst du uns vielleicht ein bisschen was zum Inhalt verraten und vielleicht sogar einen Textausschnitt preisgeben?
In der Fortsetzung geht es primär um Felida. Viele Leserinnen haben sich mehr von der Katzenfrau gewünscht und das kam meiner Muse sehr gelegen. Ich denke die Fortsetzung kann sogar noch dramatischer als der erste Teil werden, da eine neue Feindin die Vernichtung des Wunderlandes plant. Bisher steht nur der Anfang aber ein kleines, unkorrigiertes Häppchen kann ich bereits preisgeben:

In der schwärzesten Stunde der Nacht öffnete sich die unheilige Pforte, die die Welt der Lebenden und die der Toten voneinander trennte. Unbeobachtete überschritt die Totengräberin jene Schwelle in die fremde Welt und blickte sich um. Über ihr am Nachthimmel schwammen grüne Elefanten vorbei an Wolkenbergen, Blumen wisperten sanfte Lieder und winzige Feen tanzten durch die Luft.

Das Wunderland. Eine seltsame Welt, die jeglichen Regeln des Verstandes zu trotzen schien. Die Welt von Felida … Der Gedanke an das Katzenbiest ließ sie unwillkürlich die Hände zu Fäusten ballen. Nicht mehr lange hatte das räudige Biest hier seinen Rückzugsort.

Wow – vielen Dank für den kleinen Einblick 🙂
Welches Buch hat dir am meisten abverlangt und warum?
Ich glaube am schwierigsten war mein Erstes Buch „Seth & William“. Beim Schreiben dachte ich ständig, dass doch kein Mensch lesen will, was gerade ich schreibe. Bei der Veröffentlichung war mir so richtig kotzübel vor lauter Panik und ich habe Stundenlang geflennt, bis die erste Nachricht einer Leserin kam, dass sie es in einer Nacht verschlungen hat und wann mein nächstes Buch erscheint. Die Zweifel bleiben, aber es ist besser geworden. Ich investiere immer noch in jedes Buch viel Herzblut, heule beim Schreiben auch Mal Rotz und Wasser und bin ewig nicht ansprechbar, weil ich so mit meinen Protagonisten mitleide. Das ist wahnsinnig anstrengend, aber auf positive Art und Weise.

Welche deiner Figuren ist deine Lieblingsfigur und warum?
Das ist wirklich schwer zu sagen. Natürlich liebe ich all meine Figuren, aber einige haben mir aus unterschiedlichen Gründen vieles abverlangt. Ich habe sehr mit Leonard im dritten Teil meiner Sonne, Mond und Sterne – Trilogie gelitten. Gerade eine Schlüsselszene ganz am Ende im Keller seines Elternhauses habe ich nur durch einen Tränenschleier hindurch schreiben können. Es war mir sehr wichtig, ihm da heraus zu helfen.

Zudem wird Caleb für mich immer ein Sinnbild weiblicher Stärke sein. Frauen in Fantasyromane (und Filmen) sind oft die grazilen Elfenkriegerinnen oder Bogenschützinnen … da tat es gut Caleb eine Axt in die Hand zu geben. Sie kämpft nicht in der zweiten Reihe!

Vielleicht wird Seth aus „Seth & William“ immer mein heimlicher Liebling sein. Er war ja irgendwie mein erster und die Anfangsszene auf der Dachterrasse als er so traurig und verzweifelt ist … Ja, es war mir sehr wichtig, dass mein Sensibelchen über seinen Schatten springt und es ihm gut geht.

Aber ich mag tatsächlich all meine Figuren. Sogar meine Bösewichte. Herzog Raimund aus „Narbenmond“ war immerhin fies genug, damit eine Leserin für ihn eine Voodoopuppe bastelte.

Wie wichtig ist das Thema Liebe und Romantik in deinen Büchern?

Sehr wichtig. Egal in welchem Setting, am Ende dreht sich bei mir alles um die Liebe. Dabei ist es mir wichtig verschiedene Formen zu beschreiben. Verschiedene Konstellationen, Beziehung mit eigenen Regeln und Menschen, die scheinbar so gar nicht zusammenpassen. Auch spielt bei mir immer wieder tiefe und ehrliche Freundschaft eine Rolle. In letzter Zeit auch manchmal das Thema Mutterliebe.

Welche Bücher liest du gerne?
Ich lese eigentlich auch das gerne was ich schreibe. Dramatisch, voller Liebe und mit Happy End. Manchmal auch Sachbücher. Ich tue mich leider mit Sad Ends sehr, sehr schwer, auch wenn es da einige Bücher gibt, die mich reizen würde.

Wie findest du den deutschen Markt im Gay und Lesbian Bereich? Wo siehst du ihn (und dich als Autor) in ein paar Jahren?
Ich glaube der Markt ist unglaublich schnell am wachsen und ich hoffe, dass das lesbische Genre irgendwann ein wenig aus der stiefmütterlichen Ecke heraus kommt und Gay und Lesbian selbstverständlicher gleichberechtigt nebeneinander stehen. Ich möchte ein buntes LGBT* Genre, nicht nur mit ausschließlich muskulösen schwulen Kerlen, die allesamt 20 Zentimeter in der Hose haben. Abwechslung. Alle Facetten von Liebe, alle Subgenres, Protagonisten, die ehrlich und anders sind. Eben … so bunt wie unser Regenbogen, um es mal kitschig auszudrücken.

Wo ich dabei aber selbst dabei stehe … schwer zu sagen. Ich werde noch lange weiterschreiben, so viel ist sicher. Und sollte das irgendwann nicht mehr klappen, gebe ich vielleicht verrückte Teepartys. Man braucht immerhin immer einen Plan B 😉

Was würdest du deine Leser fragen?
Ich wüsste gerne, bei welchem Buch / welcher Szene sie mich gerne mal erwürgt hätten *lach*. Oder welche meiner Figuren ihnen besonders ans Herz gewachsen ist, von wem sie mehr lesen wollen, wen sie ganz schrecklich fanden … Und nein, ich bin gar nicht neugierig 😉

Deine Worte an die Leser?
Vielen, vielen Dank für alles. Damit meine ich primär nicht den Kauf meiner Bücher (aber macht das ruhig auch weiterhin 😉 ), sondern wirklich alles. Der Austausch, das Quatschen auf den Messen, die vielen coolen lila Herzen, die ich bekomme, die Karten usw. usw. Es ist ein wunderbares Gefühl „dazuzugehören“.

Bitte bleibt mir lila wahnsinnigem Etwas auch in Zukunft treu.

Vielen Dank für das tolle Interview und den kurzen Einblick in die Fortsetzung der “Herzkönigin”.

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