[ROMAN] Sunford – Verführung eines Gentleman von Celia Jansson

Autor: Celia Jansson
Taschenbuch:  300 Seiten
ISBN: 978-3864435218
Preis: 6,99 (eBook) | 12,90 (Taschenbuch)
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Story:
Der gutsituierte Unternehmer Leonard Knightly setzt alles daran, um dem kleinen Städtchen Sunford eine direkte Eisenbahnanbindung nach London zu verschaffen – etwas, dass von den alteingesessenen Bürgern eher skeptisch beäugt, teilweise sogar blockiert wird. Genau zu dieser Zeit lernt er den gutaussehenden Lord Vincent Fanbury kennen, der über den Sommer bei seinen Verwandten zu Besuch ist. Das kleine Örtchen steht ob seiner Berühmtheit Kopf – gerade die weiblichen Bewohner hoffen auf eine gute Partie. Auch Leonard ist von dem jungen Lord fasziniert und freundet sich bei gemeinsamen Reitausflügen mit ihm an. Schnell wird ihre Beziehung tiefer, denn auch Vincent zeigt sich an Leonard interessiert. Dass Vincent ein düsteres Geheimnis mit sich herumträgt und bei weitem nicht so unschuldig ist, wie Leonard denkt, wird schnell klar. Antworten findet er jedoch erst, als Vincent nach London zurückkehrt, aus dem er wegen eines gewaltigen Skandals geflohen ist …

Eigene Meinung:
Mit „Sunford – Verführung eines Gentleman“ legt die Autorin Celia Jansson ihr Debüt vor. Der Roman erschien im Sieben Verlag, bei dem u.a. auch Romane von Corinna Bach („Bodyguard – Specialauftrag: Liebe“, „Vancouver Dreams“) und Sylvia Pranga („Männerbande“) erschienen sind. weiterlesen…

[ANTHOLOGIE] Von Eisregen und fahrendem Volk von Raik Thorstad

Autor: Raik Thorstad
Taschenbuch:  150 Seiten
ASIN: B01ABWTGWY
Preis: 0,99 (eBook)
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Inhalt:
Die Anthologie von Raik Thorstad entstand als Dankeschön der Autorin an ihre Fans und enthält sowohl eigenständige Kurzgeschichten, als auch Bonusepisoden zu ihren bisher veröffentlichten Romanen. So gibt es für Fans u.a. ein Wiedersehen mit Sascha und Andreas („Leben im Käfig“, „Nach der Hölle links“), Geryim und Sothorn („Zenjanischer Lotus“) und den Charakteren aus „Zerrspiegel“ und „3517 Anno Domini“. Folgende Geschichten sind enthalten:

Eisregen („Leben im Käfig“, „Nach der Hölle links“)
Mein
Neue Lieder (Zerrspiegel“)
Acht Jahre
Blitzliebe
Das Schweigen des Prinzen („3517 Anno Domini“)
Drecksarbeit („Zenjanischer Lotus“)
Fahrendes Volk
NÖTE
Zwielichtsonne („Leben im Käfig“, „Nach der Hölle links“)

Eigene Meinung:
Die Kurzgeschichtensammlung „Von Eisregen und fahrendem Volk“ von Raik Thorstad erschien als Dankeschön an ihre Fans und treuen Leser als kostenfreies eBook. Eine Printausgabe war nur auf Vorbestellung erhältlich. Enthalten sind ein Großteil der Bonus- und Kurzgeschichten, die auf fanfiktion.de online verfügbar waren. Ebenso findet man in „Von Eisregen und fahrendem Volk“ Bonusepisoden, die die Handlung ihrer bereits erschienen Romane fortführen. Diese Geschichten sind entsprechend gekennzeichnet. weiterlesen…

[ROMAN] Blinder Zorn von T. C. Jayden

Autor: T. C. Jayden
Taschenbuch:  250 Seiten
ISBN: 978-3-944504322
Preis: 4,99 EUR (eBook)
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Story:
Nachdem Riley und Kjell zueinander gefunden und sich mit ihrer BDSM-Beziehung arrangiert haben, könnte alles so einfach sein – lediglich Aleksey lauert wie ein bedrohlicher Schatten im Hintergrund. Dass der psychopathische Mann tatsächlich Rache für die erlittene Schmach und den Ehrverlust nehmen will, wird Riley klar, als er ihn und seinen Freund Liam nach einer Einkaufstour gefangen nimmt. Er verschleppt die beiden jungen Männer in eine Hütte im Wald, in der er seinen persönlichen Folterkeller eingerichtet hat. Für Riley und Liam bricht eine schwere Zeit an, die aus Schmerz und Qual besteht, bis Riley schließlich fliehen kann. Im Krankenhaus wird er von Kjell aufgebaut, erinnert sich jedoch kaum an die Dinge, die geschehen sind. Dies macht es für den Polizisten Charlie nicht leicht Liam zu finden und zu befreien.

Als er schließlich Erfolg hat und die Hütte über Umwege ausfindig macht, ist Liam mehr tot als lebendig. Zudem hat er an mehr zu knabbern, als an den Folterungen und dem psychischen Druck seitens Alekseys, denn seine Freundschaft zu Riley steht auf wackeligen Beinen …

Eigene Meinung:
T. C. Jaydens „Blinder Zorn“ ist die Fortsetzung des Gay-BDSM Romans „Kalte Ketten“, in dem die Beziehung zwischen Riley und Kjell beleuchtet wurden und man erstmals auf Aleksey trifft, der in der Fortsetzung eine wesentliche größere Rolle zugedacht bekommt. Beide Romane erschienen im Weltenschmiede Verlag – da „Blinder Zorn“ offen endet, kann man davon ausgehen, dass die Autorin der Geschichten um Kjell, Riley und Liam noch fortführt. weiterlesen…

[ROMAN] Untier hat das letzte Wort von Sandra Busch

Autor: Sandra Busch
Taschenbuch:  348 Seiten
ISBN: 978-3-945934296
Preis: 5,99 EUR (eBook) | 13,95 EUR (Taschenbuch)
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Story:
Als Gott das Pech verteilt hat, hat Björn Marschner mit wehenden Fahnen „HIER“ geschrien. Anders ist die Tollpatschigkeit und die Zielgenauigkeit, mit denen er jedes Fettnäpfchen mitnimmt, einfach nicht zu erklären. Einziger Lichtblick in Björns chaotischem Leben ist sein bester Freund Mario, mit dem er in einer WG zusammenlebt und sein Haustier – ein vorlauter Beo namens Untier, der mit Vorliebe Filmzitate zum Besten gibt und nichts unkommentiert lässt. Das hilft ihm jedoch nicht um seinen Schwarm Lionil für sich zu gewinnen, bei dem er nach etlichen Bierchen und fünf Männern in einem Schwulenclub den Ruf des Flittchens weg hat. Als sein Leben endgültig im Keller angekommen ist, bekommt Björn Hilfe von unerwarteter Seite: seinem besorgtem Bruder, Marios neuer Freundin, einer Rockergang und sogar der Polizei. Und sogar Lionel ist nicht ganz so unerreichbar, wie er immer gedacht hatte …

Eigene Meinung:
Mit dem Roman „Untier hat das letzte Wort“ legt Sandra Busch ein spritziges, unterhaltsames Buch vor, das angenehm aus der breiten Masse hervorsticht. Die Autorin hat bereits mehrere Romane im deadsoft Verlag veröffentlicht, lässt dabei kein Genre aus und arbeitet oft mit der Autorin Sandra Gernt zusammen. weiterlesen…

[ROMAN] Promises – Nur mit dir von Marie Sexton

Autor: Marie Sexton
Taschenbuch:  350 Seiten
ISBN: 978-3-8025-9224-9
Preis: 6,99 EUR (eBook)
Bestellen: Amazon

Story:
Jared Thomas‘ Leben als offen schwuler Mann in der Kleinstadt Coda ist nicht einfach: misstrauisch beäugt, so dass es nicht einmal wagt, an der dortigen Schule als Lehrer zu unterrichten, und einsam, da der einzig andere Homosexuelle der Stadt doppelt so alt und sein ehemaliger Mathelehrer ist. Das ändert sich als mit Matt Richards ein neuer Polizist in die Stadt zieht und sich recht schnell mit Jared anfreundet. Überraschenderweise hält der gutaussehende Mann an der Freundschaft zu ihm fest, selbst als die ersten unschönen Gerüchte um die beiden Männer die Runde machen und Matt von seinen Kollegen zunehmend mit spitzen Kommentaren abgefertigt wird. Zudem entwickelt Jared bald tiefergehende Gefühle und ist sich sicher, dass Matt seine Liebe erwidert, doch der Polizist stürzt sich in eine Affäre mit einer Frau und setzt alles daran, seine schwule Seite zu leugnen. Für Jared bricht eine schwere Zeit an und selbst als sie sich zusammenraufen und es miteinander versuchen, warten weitere Probleme auf sie …

Eigene Meinung:
Marie Sextons „Promises – Nur mit dir“ ist eine der bekanntesten und beliebtesten Gay Romance Geschichten. Jareds und Matts Geschichte markieren nicht nur den Anfang der „Coda“-Serie, zu der auch die im Cursed Verlag erschienen Bücher „Erdbeeren, Zimt und Einsamkeit“, „Von A bis Z“ und „Lektion Z – Paris von A bis Z“ gehören, sondern wurde auch in mehrere Sprachen übersetzt. In Deutschland erschien der Roman als erste Gay Romance Veröffentlichung des Lyx Verlags – leider nur als eBook, doch er ebnete den Weg für weitere Titel, die ab 2016 beim Verlag erscheinen. Die folgenden Bücher der Reihe erscheinen aktuell beim Cursed Verlag. weiterlesen…

[SACHBUCH] Das andere Berlin von Robert Beachy

Autor: Robert Beachy
Taschenbuch:  464 Seiten
ISBN: 978-3-8275-0066-3
Preis: 19,99 EUR (eBook) | 24,99 EUR (Taschenbuch)
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Inhalt:
Der US-Historiker Robert Beachy stellt in seinem Sachbuch “Das andere Berlin” eine mutige These voran: dass die Homosexualität, bzw. die Auseinandersetzung mit dieser Thematik und das Finden einer homosexuellen Identität, erstmals in Deutschland zur Sprache kam – weit vor den Stonewall Vorfällen im New York der 60er Jahre. Acht Kapitel, die sich von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ende der Weimarer Republik erstrecken, umfasst Beachys Beweisführung, angefangen bei dem Vorkämpfer für Homosexuellenrecht Karl Heinrich Ulrichs, der bereits ab 1867 für die Abschaffung des §175 kämpfte und erstmals offen über Homosexualität redete. Das beginnende 20. Jahrhundert in Berlin, das durch Hirschfelds Forschungen und die Gründung des Wissenschaftlich-humanitäre Komitees (WhK) geprägt war, die sich über Jahrzehnte für die Rechte der Homosexuellen einsetzten, nimmt den Löwenteil des Buches ein, ebenso die Ausschweifungen und die offen schwulen und lesbischen Lebensweise nach dem ersten Weltkrieg.

Eigene Meinung:
Robert Beachy hat bereits mehrere Sachbücher veröffentlicht, die sich der deutschen und amerikanischen Geschichte des 18. bis 20. Jahrhunderts widmen, wobei sein Schwerpunkt auf der Historik der Homosexualität liegt. „Das andere Berlin“ erschien 2014 unter dem Titel „Gay Berlin. Birthplace of a Modern Identity“ in den USA. weiterlesen…

[GEWINNSPIEL] Paul Senftenberg

Mit dem obligatorischen Gewinnspiel endet die Special Week rund um Paul Senftenberg und seine Bücher. Ich hoffe sehr, dass ich euch ein wenig neugierig machen konnte und der ein oder anderen den tollen Werken eine Chance gibt. Um euch die Entscheidung eventuell zu erleichtern, habt ihr nun die Chance eines von 3 Buchpaketen zu gewinnen.

Dafür müsst ihr lediglich eine Mail an Koriko@gmx.de schicken und mindestens eine Frage an Paul oder an einen seiner Charaktere stellen. Ihr dürft euch jede Figur rauspicken, die ihr schon immer mal löchern wolltet (sprich ihr könnt auch gerne jemanden aus ihren anderen Romanen wählen).

Allerdings bittet der Autor darum, dass ihr auf allzu persönliche Fragen verzichtet, sprich es kann dieses Mal sein, dass er einige Fragen nicht beantwortet. BItte respektiert Paul Senftenbergs Wunsch – vielen Dank!

Alle Fragen, die im Laufe in den kommenden 15 Tagen gestellt werden, werden bei der Gewinnerbekanntgabe beantwortet und als Leserinterview auf diesem Blog präsentiert.

Eure Fragen könnt ihr bis zum 31.01.2016 an die oben genannte Mailadresse schicken (bitte im Betreff “Gewinnspiel Paul Senftenberg” angeben) – sie werden gesammelt und an den Autoren weitergeleitet. Unter allen Teilnehmern verlose ich nach Zufallsprinzip folgende Buchpakete:

1. Platz: “Hände”, “Damals ist vorbei” und “Der Stammbaum”
2. Platz: “Hände” und “Damals ist vorbei”
3. Platz: “Damals ist vorbei”

Alle Bücher sind signiert!

Ich bedanke mich bei Paul Senftenberg und den Verlagen für die Bereitstellung der Gewinne.

Hinweise:
1. Paul freut sich über Kommentare, Anmerkungen und Feedback zu seinen Werken (oder auf eine Antwort zu ihrer Frage im Interview), sprich ihr könnt gerne einige Worte an ihn richten 🙂
2. Solltet ihr das ein oder andere Buch bereits besitzen, sagt mir in der Mail Bescheid – ich versuche beim Auslosen Rücksicht darauf zu nehmen, damit niemand Bücher doppelt bekommt.

Paul und ich sind gespannt auf eure Fragen, Ideen und Antworten – die Gewinner und das Leserinterview werden am 08.02.2016 auf diesem Blog präsentiert. Wir freuen uns auf eure Fragen.

Viel Glück!

[INTERVIEW] Paul Senftenberg

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Die Special Week ist fast vorrüber und bevor wir uns dem Leserinterview nebst Gewinnspiel näher, kommt nun das obligatorische Interview mit dem Autoren. Euch erwarten einige tolle Informationen über ihn und seine Werke, ebenso über seine Romane und Novellen.

http://www.paulsenftenberg.at/

Bitte erzähl uns ein wenig mehr von dir. Was machst du in deiner Freizeit?
Ich glaube, meine größte Leidenschaft spiegelt sich in einigen meiner Bücher wider: der Film. In „Eine ganz andere Liebe“ ist ein Freiluftkino, umgeben von alten Gemäuern, ein wesentlicher Schauplatz, und bei einer Vorstellung von „Frankenstein“ kommt es zum ersten Kuss der beiden Protagonisten. Auch der Höhepunkt der Geschichte findet in einem alten Kino, Lichtspieltheater genannt, statt. In „Damals ist vorbei“ ist ein ebensolches ehemaliges Lichtspieltheater der Ort, an dem Martin und seine Frau Margit eine Buchhandlung mit angeschlossener kleiner Galerie betreiben. Wahrscheinlich ist sogar mein Schreibstil, sind die kurzen Kapitel und das Springen zwischen verschiedenen Zeit- und Erzählebenen vom Aufbau von Filmen und besonders auch Fernsehserien à la „Lost“ beeinflusst . Kurz und gut, ich bin ein wahrer Filmfreak, würde ich sagen, wobei ich total auf Horror und Thriller stehe (es aber kaum ein Genre gibt, das ich gar nicht mag), sowohl wirklich gut gemachte Blockbuster (ich liebe James Bond und „Star Wars“), als auch intellektuelles Arthouse mag. Worum es mir geht, ist, überrascht zu werden, sowohl von der Geschichte und den Charakteren her, als auch von der Machart. „Slow West“ war da in jüngster Zeit ein gutes Beispiel – sehr cool der Moment, als der Protagonist mit der bloßen Hand einen Pfeil abfängt.

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Weitere Hobbies von mir sind natürlich Lesen und das Schreiben, ich reise auch sehr gern, wobei das bei mir nicht bedeutet, zwei Wochen am Strand zu liegen, sondern die Kultur und die Menschen eines Landes kennenzulernen. Die Welt ist zu groß und es gibt noch so viele Ziele, die mich interessieren würden, da wäre es mir zu schade, die Zeit mit Nichtstun zu vergeuden. Fotografieren, besonders auf den Reisen, interessiert mich auch, ich bin da aber ein absoluter Amateur. Ich gärtnere auch ein wenig. Und last but not least gehört auch regelmäßiges Fitnesstraining zu meinen Freizeitbeschäftigungen. Du sieht, langweilig wird mir nie!

Wann hast du mit dem Schreiben begonnen? Gab es einen Auslöser, der dich zum Schreiben brachte?
Ich schreibe, seit ich denken kann, wobei es ganz gut ist, dass die ersten Versuche nicht veröffentlicht wurden. An einen konkreten Auslöser kann ich mich nicht erinnern, da waren einfach immer Geschichten in meinem Kopf, die hinaus mussten, sonst wäre er zerplatzt 😉 Als Moment der Erkenntnis möchte ich bezeichnen, als ich als Jugendlicher zu Weihnachten Bodo Kirchhoffs „Mexikanische Novelle“ geschenkt bekam. Wie Schuppen fiel es mir von den Augen, was man mit Sprache, mit schnörkellosen und dennoch extrem kunstvollen Sätzen, mit glasklarem Ausdruck, mit einfach den immer absolut perfekten Wörtern bewirken kann: Whow! Bevor ich mich ins schwule Genre gewagt habe, habe ich Bücher unter einem anderen Pseudonym herausgebracht. Irgendwie sehe ich es aber heute so, dass immer alles darauf hinausgelaufen ist, (auch) über schwule Charaktere zu schreiben.

Du hast einen sehr belletristischen Stil. Hast du dir das Schreiben selbst beigebracht oder auf anderem Wege gelernt?
Wenn du mit „belletristisch“ den eigentlichen Sinn des Wortes meinst, nämlich „schöngeistig, literarisch, unterhaltend“, dann kann ich sagen, dass ich natürlich hoffe, dass mein Stil in dem Sinne unterhaltend ist, dass er die Geschichte auf die mir bestmögliche Weise in Richtung der Leser transportiert. Mir ist extrem wichtig, dass sich keine oder möglichst wenige sprachlichen Klischees einschleichen. Besonders grauenhaft sind ja viele Vergleiche oder Metaphern, die man allenthalben lesen kann. Hemingway soll ja aus den ersten Fassungen seiner Texte die unnötigen Adjektive (und das waren für ihn sehr viele) herausgestrichen haben. Ich mag in meinen Büchern keine Passagen finden, die man als sprachlich banal bezeichnen könnte. Deshalb arbeite ich an jedem Kapitel so lange, bis aus meiner Sicht wirklich alles sitzt, ich arbeite es wieder und wieder durch, streiche heraus, formuliere um, und erst, wenn es für mich passt, beginne ich mit dem nächsten. Und wenn der ganze Text steht, fange ich nochmals mit dem Korrigieren an – ich kann mich ewig mit der richtigen Wahl eines Satzzeichens beschäftigen. Du wirst jetzt verstehen können, dass mir schlechter, klischeehafter, banaler Stil ein Gräuel ist … Beigebracht habe ich mir das selbst, gutes Schreiben kann man nur durch Schreiben (und natürlich auch Lesen guter Literatur) lernen. Ich denke, es gibt nur wenige Ausnahmeerscheinungen in der Literatur, die das gleich von Anfang an fast perfekt konnten. Ich habe gerade erst die Kurzgeschichten gelesen, die Truman Capote als Dreizehn- und Vierzehnjähriger geschrieben hat – phänomenal! Aber mit einem wie ihm kommt ohnehin kaum jemand mit.

Wie viel Zeit brauchst du, um ein Buch zu schreiben?
Wie du dir nach meinen obigen Erklärungen denken kannst, recht lang. Ich gehe mit einer Idee oft jahrelang im Kopf herum, dann kommt die Phase der unzähligen Notizen und deren Ordnung auf Karteikärtchen. Bei meinem Stil des oftmaligen Wechsels der Zeitebenen wäre es ohne die Kärtchen, die ich dann wie bei einem Puzzle ordnen kann, nicht möglich, Übersicht zu bewahren. Und dann muss der erste Satz hundertprozentig passen, damit die Geschichte daraus herausfließt. Ein schlechter erster Satz kann mich total blockieren. Auf die ersten Sätze aus „Damals ist vorbei“ und „Hände“ bin ich stolz. Wenn aus einem solchen gelungenen, zur Thematik und der Atmosphäre des Textes passenden ersten Satz ein gutes erstes Kapitel geflossen ist, geht’s mit dem Schreiben (trotz des vielen Korrigierens) relativ flott voran. Mehr als zwei Monate brauche ich dann nicht mehr. Aber meine Bücher sind ja auch nicht sehr dick.

Viele deiner Charaktere heißen Paul. Gibt es dafür einen bestimmten Grund?
Da kann ich leider mit keiner geheimnisvollen oder spannenden Erklärung dienen. Ich finde schlicht und einfach den Vornamen Paul wunderschön, das ist für mich der schönste männliche Name überhaupt, kurz und kraftvoll, aber gleichzeitig doch auch sehr weich und anschmiegsam. Deshalb habe ich ihn mir als Künstlernamen gewählt. Und weil er mir so gefällt, heißen auch einige meiner Protagonisten so.

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Friedhof der Namenlosen – Damals ist vorbei

Einige deiner Bücher behandeln das Thema “Homosexualität und Ehe”, sprich deine Charaktere sind verheiratet und entdecken dann ihre Gefühle für einen Mann. Gibt es hierfür besondere Gründe oder reizt dich einfach nur das Thema? In diesem Zusammenhang: “Damals ist vorbei” ist dein Debüt – was hat dich bewogen eine solche Geschichte zu schreiben?
Mark Twain soll einmal gesagt haben, seine Bücher seien im Grunde genommen allesamt Autobiografien, da ein Autor immer nur davon gut schreiben könne, was er selbst erlebt habe. Deshalb bezweifelte er auch (wie manch andere) die Urheberschaft Shakespeares: Dass ein einzelner Mensch all diese Geschichten rein aus seiner Imagination verfassen könne, war ihm undenkbar. Im Kern gebe ich Twain recht – man sollte über das schreiben, wovon man auch etwas versteht. Doch ich denke, dass manauch nicht wirklich alles selbst erlebt haben muss, ich glaube schon auch an die Vorstellungskraft des menschlichen Geistes. Ohne jetzt weiter Details meiner eigenen Biografie geben zu wollen, kann ich dir sagen, dass meine Bücher zwar keine Autobiografien sind, sondern Fiktion, diese jedoch schon um einen realen Kern gesponnen wird; wenn ich nicht genau wüsste, wovon ich schreibe, wäre ich besonders bei „Damals ist vorbei“ zweifellos im Oberflächlichen, im Klischee stecken geblieben. Dass die Geschichte reale Wurzeln hat, dass sie mich persönlich berührt hat, war aber auch ganz klar der Anstoß, sie niederzuschreiben.

Mit “Der Stammbaum” wagst du den Schritt zur klassischen Novelle – war das Absicht oder hat sich die Geschichte von selbst in diese Richtung bewegt?
Ich arbeite meist ganz intuitiv. Ich weiß eigentlich meist schon bevor ich anfange zu schreiben, wie lang ein Text ungefähr werden wird, das sagt mir einfach mein Gespür für die Geschichte und ihre Stimmung. Ich hatte bei „Der Stammbaum“ das Gefühl, dass der Text zu lang für eine Kurzgeschichte werden würde, aber auch zu kurz für einen Roman. Als ich mich daraufhin mit der Gattung der Novelle beschäftigte, um Schulwissen aufzufrischen, stieß ich auf den Ausdruck „Ding-Symbol“. Da wurde mir schlagartig klar, dass es sich bei dem Stammbaum aus Messing, der dem Text den Titel geben sollte, um genau ein solches Ding-Symbol handelte und ich tatsächlich eine Novelle schreiben würde. Später freute ich mich sehr, dass der Homo Littera Verlag das kaufmännische Wagnis einging, sie zu veröffentlichen.

War es schwierig sich stilistisch dieser alten Literaturgattung anzupassen?
Wie gesagt arbeite ich sehr intuitiv. Als die Sache mit dem Titel und dem Symbol und damit die Frage der Gattung geklärt war, habe ich einfach meinen Text geschrieben. Eine kurze Geschichte, quasi abrupt und durchaus schmerzvoll herausgerissen aus der Realität der Charaktere, Ereignisse zwischen zweiMomenten, die ihr Leben geradezu umstülpen, sie zu einem Neuanfang zwingen. Ich habe nicht versucht, den Text mit Gewalt in irgendeine Richtung zu trimmen; nur was natürlich fließt, wirkt als Erzählung auch elegant.

“Hände” schneidet ein weiteres, eher ungewöhnliches Thema an. Wie bist du auf die Idee gekommen?
StammbaumZweierlei gab den Anstoß für meine Entwicklung der Geschichte. Da gab es vor einigen Jahren mal einen jungen Mann im Fitnesscenter, der nur einen Arm hatte, damit aber extrem geschickt umging. Er war auch ziemlich fesch, muss ich sagen. Und dann besichtigte ich eines Tages durch Zufall die romanische Kirche im Weinviertler Ort Schöngrabern. Die gotischen Fresken im Innenraum und die Steinerne Bibel an der Außenseite der Apsis faszinierten mich. Ich saß in dieser Kirche, und plötzlich begannen sich in meinem Kopf die Gedanken zu drehen – und ich hatte diese Geschichte.

Viele deiner Bücher haben offene Enden oder laden zum Interpretieren ein. Gibt es ein Buch, das du gerne fortführen würdest oder planst du irgendwann einen zweiten Teil zu deinen Werken?
Ich hasse bis ins letzte Detail vorgefertigte Enden, die den Lesern keinen Spielraum für eigene Interpretationen lassen, keine Möglichkeit, selbst verschiedene Varianten weiterzudenken. Die Zeiten des klassischen Romans des 19. Jahrhunderts sind vorbei, bei Dickens, der seine Charakterporträts sozusagen von der Geburt bis zum Totenbett erzählte, war das natürlich wunderbar, und auch wenn John Irving in einigen seiner Romane auf diese Tradition Bezug nimmt, ist das perfekt (er thematisiert das ja auch). Ein moderner realistischer Roman aber funktioniert nach meinem Empfinden anders. Nimm zum Beispiel „Damals ist vorbei“. Da gibt es am Ende die Variante, dass Martin zu seiner Frau zurückgeht und Thomas verlässt, oder jene, dass er mit Thomas beisammen bleibt und Margit verlässt, oder … Das Leben hat so viele Varianten parat, keine ist die allein gültige. Hätte ich mich für eine entschieden und diese niedergeschrieben, wären die anderen gestorben. Ist es aber nicht so, dass vielleicht gerade die Variante, für die sich zwei Menschen entscheiden, für die Umwelt undenkbar erscheint, für sie aber die beste ist? Und deshalb möchte ich auch keines meiner Bücher fortführen: Sie enden genau an dem Punkt, der für mich der richtige ist. Wenn sich Leser aber darüber hinaus mit der Geschichte und den Charakteren beschäftigen, freut mich das sehr. Und da dies bei der Figur des Manuel in „Hände“ bei so vielen der Fall war, haben wir ihn ja auch für unser Charakterinterview ausgewählt. Und eines möchte ich noch sagen: Ich sehe alle meine Bücher in einem engen thematischen Zusammenhang, und deshalb könnte der Protagonist des einen Buches auch durchaus in einem anderen auftauchen und hätte dort eine nachvollziehbare Rolle. Die Charaktere und Themen meines literarischen Kosmos, wenn man das so großspurig nennen will, sind miteinander sehr eng verwoben. Insofern sind auch keine dezitierten Fortsetzungen notwendig; man könnte sagen, dass jedes Buch in diesem Sinne eine Art Weiterschreibung der anderen ist.

Du arbeitest gerne sprunghaft, anstatt chronologisch. Warum diese Art zu schreiben? Was reizt dich daran zwischen Gegenwart, Vergangenheit und unterschiedlichen Perspektiven hin und her zu springen?
Ich kann mir kaum vorstellen, meine Geschichten einfach chronologisch zu erzählen. Ich finde, dass mein puzzleartiges Erzählen Spannung erzeugt. Wie schon gesagt bin ich hier sehr von Filmen oder besser gesagt Fernsehserien beeinflusst. „Lost“ mit all seinen Sprüngen in die Vergangenheit und dann auch die Zukunft hat hier Standards gesetzt, jüngst auch die Serie „The Missing“ um einen Vater auf der Suche nach seinem verschwundenen Sohn. Ich mag es nicht, wenn Romane Szenen aus verschiedenen Zeitebenen chronologisch erzählen, also die ersten hundert Seiten spielen im Jahr 2000 und die Händenächsten hundert zehn Jahre später oder so. Das empfinde ich als langweilig (wobei Ausnahmen natürlich die Regel bestätigen). Auch der Perspektivenwechsel erzeugt Spannung, zumindest hoffe ich das. Ist es nicht interessant, ein und das selbe Ereignis aus den Augen verschiedener Charaktere zu sehen? Das alles habe ich aber nicht erfunden, das sind gängige Mittel der Erzähltechnik.

Welche Figur ist deine Lieblingsfigur und warum?
Diese Frage kann ich dir beim besten Willen nicht beantworten, Juliane. Ich „liebe“ alle meine Figuren, wenn ich über sie schreibe, ich leide dann mit ihnen, ich empfinde ihre Gefühle so stark, dass ich oft von ihnen träume, als wäre ich sie. Sie sind alle in einem gewissen Sinne meine Kinder, und wenn ich auch keine meiner Figuren mit mir gleichsetzen kann, so ist doch ein Teil von mir (oder das Gegenteil eines Teils von mir) auch Teil ihrer Persönlichkeit.

Was sind Deine aktuellen Projekte? Auf was können sich die Leser als Nächstes freuen?
2016 wird bei Homo Littera ein Buch erscheinen, das mich schon seit langem beschäftigt hat und an dem mein ganzes Herzblut hängt: „Gay Movie Moments“ ist eine Sammlung von Essays zu den stärksten Momenten aus schwulen Filmen. Also die bewegendsten, spannendsten, dramatischsten, lustigsten, einfach intensivsten Szenen, meistens Augenblicke, in denen sich die Handlung zuspitzt oder entlädt, Gänsehautmomente des schwulen Films. Klassiker wie „Brokeback Mountain“ und „A Single Man“ finden sich darunter, auch Fernsehserien wie „Brothers and Sisters“ und „Spartacus“, und ich habe auch relativ unbekannte Juwele wie „Contracorriente“ und „Animals“ entdeckt, darunter ist einiges aus Spanien und Lateinamerika. Schreiben bedeutet für mich immer, so etwas wie Ordnung in das Chaos zu bringen, das mich umgibt oder in mir tobt. So habe ich schon vor Jahren begonnen, über Filmszenen, die mich bewegen, kleine Texte zu schreiben: um für mich persönlich eine gewisse Ordnung in die Vielzahl von Filmen zu bringen. Als Vorbild dafür möchte ich Wolf Wondrascheks „Menschen, Orte, Fäuste“ nennen. Darin finden sich einige ganz kurze Texte zu Plantagenhäusern am Mississippi, jeder für sich sprachlich und in der Struktur perfekt. Etwas in der Art schwebte mir vor: in meinen Möglichkeiten perfekt gestaltete Momentaufnahmen von Filmszenen. Ja, und mit der Zeit, je mehr solcher Texte ich gesammelt hatte, kam auch die Idee, sie einmal gesammelt in Buchform zu veröffentlichen. Ich bin froh, dass Homo Littera darauf eingestiegen ist. Es war ziemlich schwierig, die Rechte für die Fotos zu bekommen, aber ein Buch über Filme ohne Bilder kann man sich nicht wirklich gut vorstellen. Ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass die Verleihfirmen kaum Interesse an dem Werbeeffekt zu haben scheinen, die ein solches Buch für sie ja auch darstellt. Die Unterstützung, zumindest in Form von Fotos, war gering. Umso toller von Homo Littera, am Ball zu bleiben! Ich habe noch keine Ahnung, wie das Buch gestaltet sein wird, aber die redaktionelle Arbeit daran wird sicherlich keine geringe sein. Dafür glaube ich, dass wir mit dem Projekt Neuland betreten. Ein Buch über schwule Filmszenen gibt es, soviel wir wissen, weltweit noch keines. Ich bin schon sehr gespannt darauf.

Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit mit den Verlagen? Wie produktiv war die Zusammenarbeit mit deinen Lektoren und Verlegern?
Wie du vielleicht schon herausgehört hast, sehe ich meine Zusammenarbeit mit Homo Littera und dabei speziell mit der Verlegerin Romy Leyendecker sehr positiv. Sie ist extrem bemüht um ihre „Schäfchen“ – obwohl meine Texte, wenn du sie im gesamten Verlagsprogramm ansiehst, auf den ersten Blick ja nicht unbedingt dorthin zu gehören scheinen. Aber wenn Romy sich für ein Buch entschieden hat, dann steht sie auch dazu. Außerdem schätze ich es sehr, dass es mit Homo Littera nun auch einen österreichischen Verlag gibt, der sich auf schwule Literatur spezialisiert hat. Da habe ich besonders auch was meine Damals ist vorbeiSprache betrifft eine verlegerische Heimat gefunden. Und nicht zuletzt schätze ich die extrem genaue Lektorierung, also die konkrete Arbeit am Text. Als Autor habe ich ja zuweilen das Gefühl gehabt, meinen Text dem Lektor zusagen auszuliefern. Gibt es da kein echtes Einverständnis, kann das sogar zu einer Art „Kampf“ ausarten, das habe ich alles schon früher erlebt. Bei Homo Littera ist das alles anders, sehr konstruktiv und dennoch entspannter. Bei „Der Stammbaum“ gab es mit der Lektorin noch die eine oder andere Unklarheit auszuräumen, doch bei „Hände“ hatte ich das Gefühl, dass sie meine Art zu schreiben voll und ganz verstanden hat und ihre total notwendige kritische und wertvolle Lektorierungsarbeit eben genau darauf aufbaut. Man ist als Autor ja oft sooo betriebsblind! Die Lektorin und auch der Testleser, der bei Homo Littera das Buch ganz kurz vor dem Druck nochmals kritisch durchstudiert, haben zum Beispiel Fehler bei der zeitlichen Abfolge der Geschichte gefunden, die mir gar nicht aufgefallen sind. In diesem Sinne glaube ich, dass auch das anspruchsvolle Projekt meines Filmbuches bei ihnen sehr gut aufgehoben ist.

 

Mit anderen Verlagen hatte ich ganz andere Erfahrungen. Ursprünglich hatte ich mir meine Art von Literatur bei Verlagen wie Diogenes sehr gut aufgehoben vorgestellt – nur waren die leider nicht ganz meiner Meinung. Ich will damit sagen, dass ich meine Kartons voller Absagebriefe sehr wohl kassiert habe. Aber nicht-schwule Verlage trauen sich ja im Moment gar nichts. Falls sie mal einen schwulen Roman herausbringen, dann ist das zu 95% eine Übersetzung, die im Mutterland schon erfolgreich war, und in der Werbung, selbst auf dem Klappentext, wird der schwule Aspekt der Geschichte meist total verschwiegen. Ach, wie wird da um den heißen Brei herumgeredet, wie wird das Wort „Freundschaft“ strapaziert, wo es eigentlich fehl am Platz ist. Schau dir an, auf welch beschämende Weise der Diogenes-Verlag selbst bei John Irvings „In einer Person“ herumgedruckst hat! Ich habe ein ganzes Regal voller schwuler Romane, denen du ihren schwulen Inhalt nicht ansehen würdest. Und keiner von ihnen ist von einem deutschsprachigen Autor. Nimm zum Beispiel „Barracuda“ (Klett-Cotta) von Christos Tsiolkas, die, laut Klappentext, „berührende Geschichte eines Außenseiters“; oder – das liegt gerade auf meinem Nachtkästchen – „Die Summe unseres Glücks“ von Francois Roux (Piper) – kein Wort von einem homosexuellen Inhalt, bloß die Freundschaft wird wieder strapaziert.

Was mir also blieb, war die Handvoll deutschsprachiger schwuler Verlage. Männerschwarm und Querverlag haben mich an der Nase herumgeführt, das kannst du dir gar nicht vorstellen. Mich hat das damals echt getroffen, ich bin da extrem dünnhäutig und glaube wirklich gleich, meine Texte sind so übel, wie sie von denen gesehen wurden. Mittlerweile weiß ich von anderen Autoren, dass es ihnen genauso gegangen ist. Eine simple freundliche Absage schien hier mit dem Ego der Beteiligten nicht vereinbar zu sein. Und dann Bruno Gmünder! Dort ist ja „Damals ist vorbei“ in der ersten Fassung 2009 herausgekommen. Der Lektor, mit dem ich damals zusammenarbeitete, war ja sehr nett und konnte sich auch gut in den Text hineindenken. Doch dann verpasst der Verlag dem Buch ein Cover, das so ganz und gar nicht zum Inhalt und den Charakteren passte. Schlimm! Und obwohl sich das Buch gut verkaufte, hörte ich dann gar nichts mehr von ihnen. Der Verlag schlitterte dann auch in den Konkurs, neue Leute kamen ans Ruder – und als ein neuer Lektor sich eines Tages erdreistete, mir vorzuschlagen, doch einen Kurs für gutes Schreiben zu belegen, war mir klar, dass dieses Trauerspiel ein Ende haben müsste. Als die Auflage ausverkauft war, bekam ich auf meine Bitte rasch die Rechte an dem Text zurück, Achim Albers von Himmelstürmer stürzte sich darauf, und nach wenigen Wochen war eine Neufassung (ich habe den Schluss ein wenig verändert) mit endlich einem passenden Cover auf dem Markt.

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Die Au – Damals ist vorbei

Würdest du auch den Schritt zum Selfpublishing wagen oder bleibst du lieber bei der Zusammenarbeit mit Verlagen?
Der Hauptgrund, weshalb ich eher zu Verlagen tendiere, ist der Rückhalt, den mir eine gute Lektorierung gibt. Ich habe das oben schon erklärt, weshalb ich das für sehr wichtig empfinde. Vielen Texten, die im Selfpublishing herauskommen, merkt man leider an, dass sie nicht oder schlecht lektoriert wurden. Außerdem – ich bin ehrlich – krault es mein Ego, wenn ich weiß, dass sich ein Verlag für einen Text von mir entschieden hat und dafür nicht zuletzt ein finanzielles Risiko auf sich nimmt. Als ich nach den schlechten Erfahrungen mit den oben genannten Verlagen aber damals ziemlich down war und nicht mehr an die Möglichkeit geglaubt habe, in einem Verlag herauszukommen, habe ich schon an der Idee gebastelt, die Bücher selbst als Books on Demand herauszubringen. Ich wäre mein eigener Herr gewesen, was das Layout, die Schriftgröße, auch das Cover betrifft. Ich war kurz davor, das durchzuziehen, als sich Himmelstürmer für meine Bücher entschied und ich dabei auch ein gewisses Mitspracherecht bekam. Alles in allem ist alles sehr gut gelaufen und ich bin sehr glücklich darüber. Besonders „Hände“ schaut wirklich so aus, wie ich es mir vorgestellt habe.

Welches Genre bevorzugst Du?
Beim Lesen? Eher sehr realistische Gegenwartsgeschichten. Und dabei kommt es mir extrem auf die Sprache und auf die innere Logik der Charakterentwicklung an.

Nicht nur – auch beim Schreiben. Würdest du dich auch einmal an (für dich) ungewöhnliche Genres heranwagen, wie z.B. Krimi, Thriller oder Fantasy?
Das kann ich mir jetzt eigentlich nicht so recht vorstellen. Da müsste ich auch wohl sehr viel recherchieren, was ich nicht gern tue. Ich erzähle einfach Geschichten aus dem realen Leben, wie ich es kenne, that’s my cup of tea.

Was empfiehlst du Jungautoren?
Sich einerseits nicht entmutigen zu lassen von einem verlegerischen Umfeld, das unter Umständen nicht das geringste Interesse für sie aufzubringen vermag. Und zweitens: Sich immer genug Selbstkritik zu bewahren, nicht allzu hingerissen von etwas zu sein, nur weil man es selbst geschrieben hat. Ich möchte nicht brutal klingen, aber man sollte versuchen, nicht allzu schnell mit dem Geschriebenen zufrieden zu sein. An sich selbst zu wachsen, erfordert ein großes Maß an Selbstdisziplin und die Bereitschaft, immer weiter an sich zu arbeiten, also zu schreiben und zu schreiben und dabei als Ansporn auch immer die Literatur anderer im Hinterkopf zu haben, die zu lesen und zu verstehen man sich auch zuweilen anstrengen muss.

Wie wichtig ist das Thema Liebe?
Natürlich sehr wichtig, keine Frage. Könnten wir ohne Liebe leben? In allen meinen Büchern geht es letztlich nur um Beziehungen, um Liebe in ihren verschiedensten Spielarten. Meine Bücher sind Liebesgeschichten, auch wenn man ihnen das nicht immer auf den ersten Blick ansieht. Ich bin ja auch ein sehr romantischer Mensch, viel zu dünnhäutig, denke ich mir manchmal.

Liest du Gay Romance oder realistische Gay-Romane?
Jeder soll mit den Büchern oder Filmen glücklich werden, die ihr oder ihm gefallen. Ich selbst aber will überrascht werden. Gay Romance, soweit ich das in der Form von Leseproben festgestellt habe, spult immer nur das Standardrepertoire ab, in sprachlicher und auch inhaltlicher Hinsicht, und besonders auch, was die Entwicklung der Charaktere betrifft. Das funktioniert im Grunde genommen genauso wie Pornos. Die „Handlung“ ist nur Vorwand für das Standardprogramm. Das ist mir persönlich bei einem Roman zu langweilig. Romantik ja, aber dann im Umfeld eines Bruches mit Klischees. „Brokeback Mountain“ (übrigens besonders auch die tolle Kurzgeschichte von Annie Proulx) setzt die sehr romantische Liebesgeschichte in den Bruch des Klischees vom Macho-Cowboy; erst das macht sie so interessant. Aber „suum cuique“, wie der Lateiner sagt: Jedem das seine.

Welche Autoren schätzt du besonders? Welche Vorbilder hast du?
Ich habe Lieblinge von der Kinder- und Jugendliteratur bis hin zu Büchern für Erwachsene. Christine Nöstlinger, Josef Holub, Gabi Kreslehner, die frühen Romane von John Irving, fast alles von Patricia Highsmith, Ray Bradbury, Gabriel Gacia Marquez – den tollsten ersten Satz der Literatur findest du in „Hundert Jahre Einsamkeit“ –, Truman Capote, Ian McEwan, Hemingway und Bodo Kirchhoff, um zu sehen, wie klar Sprache sein kann. Die Liste ist auf jeden Fall unvollständig, ich lese wahnsinnig viel, aber wenn mich die erste Seite nicht überzeugt, packt und in den Text hineinzieht, bin ich schon beim nächsten Buch. Um dir zu zeigen, dass ich die Vielfalt liebe: Ich habe auch „Harry Potter“ verschlungen, die Bücher sind ja extrem gut geschrieben.

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Friedhof der Namenlosen – Damals ist vorbei

Was die schwule Schiene betrifft: David Leavitts „Die verlorene Sprache der Kräne“ hat mir vor vielen Jahren gezeigt, wo ich thematisch einmal hin will; Alain Claude Sulzer, da freue ich mich auf jedes neue Buch; Philippe Besson – „Eine italienische Liebe“ und „Sein Bruder“ sind wahnsinnig schön; André Acimans „Ruf mich bei deinem Namen“ – grandios; „Missouri“ von Christine Wunnicke ist eines meiner Lieblingsbücher. Und dann natürlich Jana Walther: „Benjamins Gärten“ ist für mich die vielleicht schönste schwule Liebesgeschichte der deutschsprachigen Literatur überhaupt – Jana erschafft mit ihrer ganz eigenen Sprache ihre ganz eigene Welt, die man von jener aus anderen Büchern blind unterscheiden könnte; ich schätze die Ruhe, die Gelassenheit ihrer Sätze. Jüngst habe ich, um nur ein Beispiel zu geben, “Das Ende von Eddy“ von Édouard Louis gelesen – sehr berührend und bei S. Fischer auch sehr schön in der Ausstattung.

Wie findest du den deutschen Markt im Gay Bereich? Wo siehst du ihn (und dich als Autor) in ein paar Jahren?
Seit der Veröffentlichung von „Damals ist vorbei“ 2009 hat sich der Markt sehr gewandelt: Stichwörter E-Books und Selfpublishing. Wir werden von neuen Büchern geradezu überschwemmt, viele davon werden zu Dumpingpreisen angeboten. Wenn du dir überlegst, wie viel Arbeit vom Autor über den Lektor und Verleger in der Herausgabe eines Buches stecken, wie viele Stunden um Stunden, die ohnehin niemand wirklich abgelten kann, dann ist es eigentlich eine totale Frechheit, wenn Leser heute ein E-Book um fünf Euro kaufen, es lesen und dann wieder zurückgeben und sich das Geld zurückholen. Das darf doch nicht wahr sein! Vielleicht setzt hier wieder mal ein Wandel ein, ich habe von einer Neugründung gelesen, der Albino-Verlag als Imprint von Gmünder, der literarisch anspruchsvolle und sehr schön ausgestattete Bücher herausgibt, die dann natürlich auch ein wenig mehr, aber keinesfalls zuviel, kosten. Mal sehen, ob die finanziell überleben können, ich wünsche es ihnen … Und ich selbst? Ich würde gern mit dem Schreiben meines neuen Romans in diesem Sommer beginnen. Ich habe eine Idee, ich habe drei Charaktere, ich habe sogar schon einen ersten Satz und einen Titel – „Ein Lächeln mit Zukunft“. Mal sehen, ob ich ins Schreiben hineinkomme, ob der Moment der richtige ist. Das kann ich im Vorhinein nie sagen.

Kannst du dazu schon mehr verraten – vielleicht sogar den ersten Satz, der ja für dich immer etwas Besonderes ist?
Naja, es wird einen Vater geben und seinen Sohn und eine ziemliche Konfliktsituation zwischen den beiden und dann auch eine Leiche, die aber keiner der beiden ist. Und dann ein Zusammenhalten. Gemäß deiner Frage oben würde ich das aber trotzdem nicht oder höchstens ansatzweise als Krimi bezeichnen. Und der erste Satz – natürlich nur, sofern sich das nicht noch ändert – lautet: „Als er aufwacht, regnet es noch immer.“ Ich finde, der setzt uns direkt in die Geschichte hinein.

Was würdest du deine Leser fragen?
Wo, wie und wann lest ihr meine Bücher? Ich würde mir das gern vor meinem inneren Auge ausmalen können – die Umstände, wenn jemand eine gewisse Zeitspanne ihres oder seines Lebens mit dem meiner Figuren verbringt. Das zu wissen, wäre für mich wahnsinnig interessant, vielleicht bin ich da ein bisschen der Voyeur, der etwa in Hitchcock-Filmen durch Fenster späht.

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Deine Worte an die Leser?
Danke, dass ihr einen Teil eurer Lebenszeit einem Text von mir widmet. Das ist wunderbar und für mich der Ansporn, mich immer wieder dem lustvollen, aber auch ziemlich anstrengenden Prozess des Schreibens zu stellen.

Vielen lieben Dank für das tolle, informative Interview.

Danke auch dir, Juliane, dass du dir Zeit für die Fragen genommen hast, und ganz allgemein für dein Engagement bei dieser Special Week.

[ROMAN] Damals ist vorbei von Paul Senftenberg

Autor: Paul Senftenberg
Taschenbuch:  186 Seiten
ISBN: 978-3863614034
Preis: 12,99 EUR (eBook) | 15,50 EUR (Taschenbuch)
Bestellen: Amazon

Story:
Nur einen einzigen Sommer dauert die heftige Liebesgeschichte zwischen den Jugendlichen Thomas und Martin an, die sich unweit der Donau kennenlernen und fortan auf dem „Friedhof der Namenlosen“ treffen. Die Beziehung scheitert an Martin, der sich seine Homosexualität nicht eingestehen will, während Thomas sich nach und nach outet.

Erst 22 Jahre später begegnen sich die beiden wieder – Thomas lebt offen schwul und arbeitet als freischaffender Künstler, Martin hat eine Studienkollegin Margit geheiratet, mit ihr zwei Kinder und sich eine Existenz als Buchhändler aufgebaut. Das Wiedertreffen ruft bei beiden die alten Gefühle wach, doch noch immer fällt es Martin schwer dazu zu stehen. Dennoch beginnt er eine Affäre mit Thomas. Schnell muss er erkennen, wie sehr er sich im Grunde nach männlicher Gesellschaft gesehnt hat und dass sein Herz noch immer an seiner ersten Liebe hängt. Als er schließlich seine Frau Margit einweiht, kommt es zu einer Katastrophe …

Eigene Meinung:
Der Roman „Damals ist vorbei“ ist das Debüt des österreichischen Schriftstellers Paul Senftenberg. Die Erstauflage erschien 2009 im Bruno Gmünder Verlag und wurde 2014 in einer überarbeiteten Neuauflage bei Himmelsstürmer herausgebracht. Wie bei einigen seiner späteren Bücher hat „Damals ist vorbei“ ein offenes Ende, das zum Spekulieren und Nachdenken anregt. weiterlesen…

[CHARAKTERINTERVIEW] Manuel aus “Hände”

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Dieses Interview ist für nach der Lektüre des Romans “Hände”, dementsprechend werden viele Punkte aus dem Buch angesprochen und aufgegriffen. Leser, die sich bisher den Roman noch nicht zu Gemüte geführt haben, seien gewarnt, dass das Interview Spoiler enthält, da ein Großteil der Ereignisse aus “Hände” aufgegriffen werden. Daher ist es ratsam, zunächst “Hände” und erst dann das Interview mit Manuel zu lesen.

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Ein milder Herbsttag; die hoch stehende Sonne blitzt durch die rostrot gefärbten Blätter der alten Kastanienbäume auf dem Platz rund um die romanische Kirche von Obergrabern. Ein schlanker Mann Anfang dreißig tritt durch das Kirchentor ins Freie. Er trägt eine leichte Jacke und hat eine Tasche umgehängt; erst auf den zweiten Blick sieht Juliane, dass er eine Handprothese hat. Jetzt weiß sie, dass es sich bei dem jungen Mann um Manuel handeln muss, den sie hier zu einem Gespräch treffen soll. 

Etwas unsicher, da das Treffen dieses Mal nicht in einem Café stattfindet, nähert sie sich Manuel und schenkt ihm ein offenes Lächeln. Sie reicht ihm zu Begrüßung die Hand. “Hallo, ich bin Juliane. Schön, dass du die Zeit für ein kurzes Gespräch gefunden hast.” Sie schaut sich kurz um. “Gibt es einen bestimmten Grund, warum du dich hier treffen wolltest?”

Manuel erwidert ihr Lächeln, sein Blick ist offen.

bibel 2“Dieser Ort hat für mich eine besondere Bedeutung”, meint er. “Die Kirche hier, und das Haus dort drüben. Dort wohnt jemand, der einmal so etwas wie ein Freund für mich war.” Er hält für einen Moment inne. “Aber das ist ewig her”, sagt er und weist zur Rückseite der Kirche. “Komm mit, Juliane. Wir können uns dort hinten auf eine Bank setzen. Es ist warm genug …”

Juliane nickt ihm zu und begleitet ihn den Weg entlang. Tatsächlich ist es auf der Rückseite angenehm warm, da die Sonne das alte Gemäuer und die Bänke den gesamten Nachmittag erreicht. “Magst du mir von ihm erzählen? Dem Freund, der einst dort wohnte? In gewisser Weise habe ich ihn ja bereits kennen gelernt.”

Manuel schaut sie einige Momente lang an. “Ja, den Paul …”, sagt er dann langsam. Er scharrt mit einem Fuß im gelben Herbstlaub, das den Boden bedeckt. “Ich weiß ja, dass ich mit dir ganz offen reden kann”, sagt er, “und trotzdem fällt es mir schwer, davon zu sprechen. Er war … mein erster Freund. Ich denke, dass man das so nennen kann, obwohl … die ganze Sache ziemlich unschön geendet hat. Aber wir waren einige Zeit zusammen. Durch ihn ist mir klar geworden, dass ich schwul bin …”

Er berührt Juliane kurz am Arm und weist die Richtung zu einer Bank mit Blick auf die Apsis der Kirche. Als sie sich setzen, deutet er nach oben. “Die Steinerne Bibel”, sagt er. “Der Kampf des Guten gegen das Böse.”

Juliane folgt seinem Blick. “Ein beeindruckendes Gebäude. Kann man sie auch von innen besichtigen?” Sie schüttelt leicht den Kopf, immerhin gibt es andere Fragen, die ihr auf der Seele brennen. “Du kannst ganz offen mit mir reden – wenn ich eine Grenze überschreite, kannst du mich rigoros darauf hinweisen. Deine Beziehung mit Paul ist ja nicht wirklich schön zu Ende gegangen. Was genau ist denn passiert? Ich kenne Pauls Sicht, deine ist mir hingegen nur teilweise bekannt.”

“Wir können die Kirche anschließend besichtigen. Ich zeige dir gern die Fresken …” Manuel blickt zu der Krone des Kastanienbaumes hinauf, unter dem sie sitzen. Dort rauscht der Wind. Dann wendet er sich wieder Juliane zu. “Okay”, sagt er, “also meine Sicht der Dinge … Es war damals ein totaler Schock, diese Nacht, in der ich zum ersten Mal mit Paul geschlafen habe. Also, wir hatten waren schon vorher intim miteinander, aber ich habe immer abgeblockt, wenn er mir zu weit gegangen ist. Ich war damals ja erst sechzehn, musst du bedenken. Und er war mein erster Freund. In dem Umfeld, in dem ich aufgewachsen bin, so ohne Vater und mit einer Alkoholikerin als Mutter … Also, da kannte ich so etwas wie Zärtlichkeit oder Liebe nicht …” Er macht eine längere Pause, doch Juliane mustert ihn nur still. Schließlich räuspert sich Manuel und fährt fort: “Und dann habe ich beschlossen, mich ihm völlig hinzugeben. Alles zu machen, was er will. Dafür wollte ich das Gefühl haben, geliebt zu werden. Und auch begehrt zu werden, denn mit meiner Hand dachte ich eigentlich, dass einen wie mich keiner will. Also, ich konnte mir nicht im Traum vorstellen, dass mich jemand tatsächlich begehren würde …” Wieder macht Manuel eine Pause. Als er erneut zu sprechen beginnt, ist seine Stimme rau und hart. “Und dann merke ich plötzlich, dass es genau meine Prothese ist, die ihn aufgeilt. Dass ihm nichts an mir liegt, sondern nur an meine Hand aus Plastik …” Er hebt die Hand und hält sie Juliane vors Gesicht. “Dieses Ding ohne … Leben! Kannst du dir vorstellen, wie ich mich gefühlt habe?“

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Juliane schluckt einen Kloß in ihrem Hals hinunter, da es ihr im ersten Moment schwer fällt auf diese Ansprache angemessen zu reagieren. Sie betrachtet die Prothese, kann Manuels Sicht nachvollziehen. “Auch wenn es seltsam klingt, so kann ich dich doch verstehen – deine Enttäuschung, deinen Schmerz und deine Angst. Es war ein gewaltiger Schritt für dich, und Paul hat dich in dem Punkt einfach nur ausgenutzt. Das ist einfach nur unfair dir gegenüber und mehr als niederschmetternd, wenn man bedenkt, wie schwer es dir fiel, dich ihm gegenüber zu öffnen. Das einzige, was man Paul vielleicht zugute halten kann, ist, dass er wahrscheinlich selbst nicht wusste, was er wollte und mit der Situation überfordert war. Dennoch war sein Verhalten einfach nur daneben.”

Manuel nickt. “Das denke ich heute auch. Ich meine, ich hab natürlich viel nachgedacht über die ganze Sache. Und ich glaube heute auch, dass der Paul … dass er selbst nicht so recht wusste, wer er ist und was er will. Oder dass ihn sein Fetisch, wenn man das so nennen kann, total durcheinander gebracht hat …”

Plötzlich lächelt Manuel. “Ich hab ja ganz vergessen, dass ich uns eine Jause mitgebracht habe. Also eigentlich hat sie mir der Peter eingepackt.”

“Der Peter?”, fragt Juliane nach.

“Der Inhaber der schwulen Buchhandlung, in der ich seit fast zwei Jahren eine Lehre mache. Er ist fast sechzig  und er hat mich sozusagen “adoptiert”. Also er kümmert sich um mich. Nicht, wie du vielleicht denkst – wie ein Vater halt. Und die Arbeit macht mir total viel Spaß!”Hände

Er öffnet seine Tasche und holt Brote, eine Thermoskanne und zwei Becher heraus. “Kaffee?”, fragt er.

“Kaffee gerne, aber mit viel Milch – ich hab mich trotz Lehre bei der Post nicht ans Kaffeetrinken gewöhnen können, egal, was mir prophezeit wurde.” Sie schenkt Manuel ein breites Grinsen und nimmt einen der Becher entgegen. “Jetzt hast du mich auf jeden Fall neugierig auf Peter gemacht und auf deine Arbeit in einer Buchhandlung. Als Vielleserin finde ich Buchhandlungen immer spannend, schwule ganz besonders. Bei uns gibt es leider keine mehr. Die letzte im Rhein-Main-Gebiet war die Oscar Wilde Buchhandlung, die ich mal fast übernommen hätte, aber das steht auf einem anderen Blatt Papier.”

Sie nimmt an ihrem Kaffee und schließt die Augen, um den Herbstwind zu genießen. “Wie bist du denn dazu gekommen, Buchhändler zu werden bzw. in einer zu arbeiten?”

Manuel nimmt selbst einen Schluck aus seinem Becher. “Vor zwei Jahren”, meint er, “ja, es muss zirka zwei Jahre her gewesen sein, da bin ich hier zufällig mit meinem Moped vorbeigefahren, als Paul Besuch bekam. Von so einem echt hübschen Typen. Auf den ersten Blick hat man gesehen, dass zwischen den beiden was läuft. Also das war fast greifbar, diese Nähe zwischen ihnen. Mir selbst ging es damals total mies. Ich bin die meiste Zeit nur herumgegammelt, bin immer fetter geworden, und außer anaonymem Sex in irgendeinem Darkroom in Wien gab’s nichts für mich. Und als ich da diesen Traumtypen gesehen habe, bin ich ausgerastet.”

“Ausgerastet?”, fragt Juliane nach. “Inwiefern?”

“Also ich bin von meinem Moped gesprungen und auf sie zugelaufen und habe über Paul geschimpft und den Typen vor ihm gewarnt.” Er fährt sich mit einer ruckartigen Geste durchs Haar. “Total idiotisch hab ich mich benommen. Und dann, als die beiden im Haus verschwunden sind, stand ich da, und plötzlich fiel mir wie Schuppen von den Augen: Du wirst jetzt fast dreißig und hast absolut nichts aus deinem Leben gemacht. Meine Mutter war ja schon gestorben, der Hof sollte bald verkauft werden. Ich war total allein auf dieser Welt, und das wurde mir in diesem Augenblick bewusst.” Sein Lachen wirkt fast schüchtern, als er Juliane anblickt. “Und von diesem Tag an, an dem ich ganz unten war, begann mein Leben, besser zu werden. Ich beschloss, nicht mehr wie ein weinerliches Kind herumzuhängen, sondern mein Leben in die Hand zu nehmen. Und das begann, indem ich angefangen habe, nach einer Lehrstelle Ausschau zu halten. Und endlich einmal hatte ich Glück und lernte Peter kennen. Und seine Buchhandlung lieben.” Er hält Juliane eines der Brote hin. “Du solltest eines nehmen”, sagt er. “Peter kauft nur den besten Schinken vom Naschmarkt in Wien.”

Juliane nimmt dankend eins der Brote und probiert. Es schmeckt wunderbar. Sie genießt das Brot und lässt Manuels Worte sacken. “Nach deinem Ausbruch gegenüber Paul hast du also die Kurve gekriegt? Hast du ihn danach eigentlich noch einmal gesehen? Habt ihr euch irgendwann einmal zusammengesetzt und über die Vergangenheit gesprochen? Sowas kann befreien und die Luft klären.”

Manuel schüttelt den Kopf. “Nein, das haben wir nicht. Und ehrlich gesagt ist es genau das, was mir auch heute noch auf der Seele liegt. Ich meine, mir geht es endlich einmal so richtig gut im Leben.” Er grinst. “Ich habe auch total abgenommen und treibe Sport.” Gleich wird er aber wieder ernst. “Aber die Sache mit Paul … Die ist für mich wie ein dunkler Fleck, den ich aus meinem Leben wegkriegen will.”

“Das ist ein guter Anfang – ich glaube, du bist auf dem richtigen Weg.” Juliane runzelt die Stirn und isst den Rest ihres Brotes. “Um richtig neu anzufangen, sollte man immer mit dem Vergangenen abschließen. Natürlich kann ich mir vorstellen, wie schwer es für dich sein wird, Paul aufzusuchen. Vielleicht fällt es dir einfacher, wenn du diesen Schritt nicht allein gehst. Gibt es denn inzwischen jemanden in deinem Leben, der dich begleiten kann? Jemandem hinter sich zu wissen, macht vieles einfacher.”

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Manuel grinst breit, auf einmal wirkt er viel entspannter als gerade noch. “Du fragst aber wirklich grad heraus”, meint er. Er trinkt den letzten Schluck aus seinem Becher und stellt diesen neben sich auf der Bank ab. Dann legt er die Prothese in seiner gesunden Hand ab, dies wirkt wie eine gewohnte Geste, die ihm gar nicht bewusst zu sein scheint. “Ja, es gibt jemanden. Dieser Jemand ist ein Kunde in der Buchhandlung. Er kommt … ziemlich oft, seitdem wir begonnen haben, uns miteinander zu unterhalten. Und … ” Er strahlt. “Wir waren auch schon mal zusammen auf einen Kaffee. Und für morgen hat er mich zu sich zum Essen eingeladen.”

“Das ist ja toll!”, ruft Juliane.

“Genau”, stimmt ihr Manuel zu. “Und deshalb haben wir uns heute genau hier getroffen. Weil ich mir vorgenommen habe, mit Paul zu reden. Noch bevor ich mit Raphael – so heißt mein “Jemand” – also, ich meine, bevor mit ihm vielleicht echt was zu laufen beginnt …”

“Dieser dunkle Fleck in deinem Leben …”, beginnt Juliane.

Manuel nickt. “Der muss verschwinden.”

“Na wenn das keine guten Aussichten sind. Ich freue mich wirklich für dich.” Juliane ist diese Freude anzusehen. Sie legt ihm eine Hand auf die Schulter. “Das ist auf jeden Fall eine Überraschung für mich. Also hast du wirklich vor, jetzt dort hinüber zu gehen und mit Paul zu reden? Lebt er denn noch dort? Um ehrlich zu sein, weiß ich das gar nicht so genau.” Sie zuckt die Schultern und sieht zum noch immer wolkenlosen Himmel hinauf. “Jetzt frag ich mich, ob ich hier warten soll, bis du dein Gespräch hinter dir hast, oder nicht. Vielleicht brauchst du danach jemandem zum Reden.”

Manuel schließt für einen Moment die Augen und saugt die herbstliche Luft ein. Dann schaut er Juliane direkt an. “Ich war schon eine halbe Stunde vor dir da”, sagt er. “Ich wollte mir nochmals in Ruhe die Fresken anschauen. Die Stille in der Kirche genießen. Denn schon damals, als ich diesen Anfall hatte und Paul und seinen Freund angeschrieen habe, war ich anschließend in der Kirche. Da habe ich die Fresken zum ersten Mal wirklich gesehen. Ich meine, ich habe gesehen, was Paul in ihnen sieht. Die abgeschlagenen Hände – vielleicht hatte er selbst damit etwas zu tun. Mit der Restauration dann zweifellos, das weiß jeder, dass er sich dafür sehr eingesetzt hat. Mir ist der Gedanke gekommen, dass diese restaurierten Hände meiner Prothese ähneln …” Er schüttelt den Kopf, wie um sich aus der Erinnerung zurück in die Realität zu bringen. “Wie auch immer”, sagt er, “ich wollte auch heute allein in der Kirche sein. Und als ich hierher kam, konnte ich grade Paul ins Haus gehen sehen.” Er lächelt. “Ja Juliane, ich werde jetzt mit ihm reden. Ich hoffe, dass er mir zuhört. Meine Entschuldigung annimmt. Und dass er mir dann seine Sicht der Dinge erklären kann.”

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“Das klingt auf jeden Fall nach einer sehr guten Idee.” Sie betrachtet die Apsis und scheint sich zu entschließen, sich die Kirche näher anzusehen. “Was hältst du davon, wenn ich mir jetzt die Fresken ansehe und die Kirche besichtige und du mit Paul redest. Ich werde auf jeden Fall so lange hier bleiben, bis du fertig bist – ob du dann mit mir sprechen magst oder nicht, liegt ganz bei dir. Aber ich bin schon neugierig, wie er deine Entschuldigung aufnimmt.” Juliane erhebt sich und streicht ihre Kleidung glatt. “Wenn du nicht darüber reden magst, weil es dir zu persönlich ist, ist das auch okay. Dann verabschieden wir uns einfach später voneinander, und wer weiß … vielleicht treffen wir uns ja mal in der Buchhandlung wieder.” Sie lächelt ihm aufmunternd zu.

Manuel steht auf. “So machen wir’s, Juliane. Du bist ein echter Schatz!” Er nimmt sie in die Arme und drückt sie an sich, tritt dann aber rasch einen Schritt zurück. “Sorry”, sagt er.

Juliane lacht. “Ist schon okay, Manuel! Du darfst mich drücken, soviel du willst!”

Für einen Moment schauen sie einander in die Augen. “Es kann eine Zeitlang dauern”, sagt Manuel dann.

“Kein Problem … und viel Glück. Du tust das Richtige.”

“Danke …”

Er verstaut die Servietten, in die die Brote eingepackt waren, die Becher und die Thermoskanne in seiner Tasche, hängt sie sich um und geht ein paar Schritte in Richtung von Pauls Haus. Noch einmal dreht er sich um und winkt Juliane zu. Gleich darauf steht er am Gartentor und klingelt. Und als sich die Haustür öffnet und Paul ihm gegenüber steht, weiß er, dass er tatsächlich das Richtige getan hat.