Autor*in: Ben Shattuck
Übersetzer*in: Dirk van Gunsteren
Hardcover: 104 Seiten
ISBN: 978-3446284241
Preis: 15,99 EUR (eBook) / 20,00 EUR (Hardcover)
Bestellen: Amazon
Inhalt:
Die Musikstudenten Lionel und David lernen sich kurz vor dem ersten Weltkrieg in einer versteckten Bar kennen und werden Freunde. Der Krieg reißt sie zwar auseinander, da David eingezogen wird, doch sie treffen sich anschließend wieder, um einen Sommer lang durch die kleinen Dörfer New Englands zu wandern, um alte Volkslieder auf Wachszylindern aufzunehmen. Aus Freundschaft wird mehr, dennoch bricht der Kontakt ab und Lionel sieht David nie wieder. Jahrzehnte später findet Annie beim Aufräumen einige, versteckte Wachszylinder. Bei ihren Recherchen stößt sie auf Davids Frau und Lionel, der auch in hohem Alter seine große Liebe nicht vergessen kann …
Eigene Meinung:
Mit dem schmalen Büchlein „Die Geschichte des Klangs“ veröffentlicht der Hanser Verlag die mehrfach ausgezeichnete, gleichnamige Kurzgeschichte und die zugehörige Begleitgeschichte. Die Originalausgabe des Buches „The History of Sound“ enthält insgesamt 12 Erzählungen aus der Feder Ben Shattucks, in der immer eine Haupt- und eine Begleitgeschichte zusammen gehören. Die titelgebende Geschichte wurde mit dem Pushcart-Preis ausgezeichnet, zudem erschien im Mai 2025 die Verfilmung, die lose auf der Kurzgeschichte „Die Geschichte des Klangs“ basiert.
In den beiden Geschichten erzählt Ben Shattuck von Liebe, Verlust, Freundschaft und den Höhen und Tiefen des Lebens. Im Zentrum stehen Lionel, der über das perfekte Gehör verfügt und in David seine einzige Liebe findet, jedoch nur einen Sommer mit ihm verbringen kann, und Annie, die mit ihrer Ehe und dem Leben als Hausfrau, für das sie sich entschieden hat, hadert. Beide Geschichten sind trotz der Kürze sehr intensiv und erreichen eine erstaunliche Tiefe, was die Figurenentwicklung betrifft. Man wird schnell in die Erzählungen hineingezogen, bleibt jedoch nur relativ kurz bei Lionel und Annie, denn letztendlich wird das Leben der beiden nur kurz angerissen. Auch das abrupte Ende des zweiten Textes vermittelt das Gefühl, dass hier etwas fehlt, als sei eigentlich mehr geplant gewesen.
Der Hanser Verlag hat sich im Zuge der deutschen Veröffentlichungen leider dafür entschieden nur die Geschichte „Die Geschichte des Klangs“ und die zugehörige Begleitgeschichte um Annie zu veröffentlichen – die übrigen Geschichten des Erzählbandes wurden leider nicht in die deutsche Ausgabe übernommen. Auch wenn es sich bei den weiteren Erzähllungen von „The History of Sound“ um andere Geschichten handelt, die nichts mit Lionel, David und Annie zu tun haben, so ist es doch schade, dass das Buch nicht komplett übersetzt wurde. So erhalten Leser*innen nur einen kleinen Einblick in die literarische Schaffenskraft des Autors.
Stilistisch legt Ben Shattuck zwei beeindruckende Erzählungen vor, die durch eine leise, kraftvolle Atmosphäre und stimmungsvolle Beschreibungen punkten können. Der Autor weiß, wie man Figuren in Szene setzt und berührende Themen ruhig und eindringlich zur Sprache bringt. Man taucht gerne in die Geschichten ein, lediglich das abrupte Ende fällt störend auf, denn man hat den Eindruck, dass etwas fehlt. Vielleicht wäre der Eindruck weniger stark vorhanden, wenn auch die übrigen Geschichten übersetzt worden wären und man Ben Shattucks Werk in seiner Gesamtheit hätte genießen können.
Fazit:
„Die Geschichte des Klangs“ enthält zwei starke, berührende Kurzgeschichten über Liebe, Freundschaft, Verlust und Veränderung, die sanft ineinandergreifen und sich gegenseitig ergänzen. Der schmale Band von Ben Shattuck besticht durch realistische, greifbare Figuren und einen atmosphärischen, ruhigen Schreibstil. Wer Bücher mit literarischem Feingefühl und poetischer Sprache mag, sollte einen Blick riskieren und dem Erzählband „Die Geschichte des Klangs“ eine Chance geben.