[THEMA] Akzeptanz und Toleranz von LGBTIQ* in der Gesellschaft

Im heutigen Beitrag darf ich im Rahmen der #bleibdu-Aktion ein wenig über Toleranz und Akzeptant in der Gesellschaft plaudern – wie man sich vorstellen kann, ein riesiges Feld (wahrscheinlich kann man wissenschaftliche Abhandlungen darüber schreiben und sehr ausführliche Diskussionen führen). Ich werde mich daher in diesem Beitrag auf LGBTIQ* beschränken und hierbei beispielhaft auf eine Diskussion im bayrischen Landtag eingehen, in dem man sich vor einigen Jahren über den neuen, aufklärenden Sexualkundelehrplan stritt. Doch dazu später mehr.

Zunächst ist es wichtig, den begrifflichen Unterschied zwischen Akzeptanz und Toleranz zu kennen, denn auch wenn beide zumeist in einen Topf geworfen werden, bedeuten sie doch nicht dasselbe. Auf Wikipedia finden sich für Akzeptanz und Toleranz gute Begriffserklärungen:

Akzeptanz

Akzeptanz (von lat. „accipere“ für gutheißen, annehmen, billigen) ist eine Substantivierung des Verbs akzeptieren, welches verstanden wird als annehmen, anerkennen, einwilligen, hinnehmen, billigen, mit jemandem oder etwas einverstanden sein.

Dementsprechend kann Akzeptanz definiert werden als Bereitschaft, etwas oder jemanden zu akzeptieren (Drosdowski, 1989).

Es wird deutlich, dass Akzeptanz auf Freiwilligkeit beruht. Darüber hinaus besteht eine aktive Komponente, im Gegensatz zur passiven, durch das Wort Toleranz beschriebenen Duldung. Akzeptanz drückt ein zustimmendes Werturteil aus und bildet demnach den Gegensatz zur Ablehnung (Aversion).

Toleranz

Toleranz, auch Duldsamkeit, ist allgemein ein Geltenlassen und Gewährenlassen anderer oder fremder Überzeugungen, Handlungsweisen und Sitten. Umgangssprachlich ist damit heute häufig auch die Anerkennung einer Gleichberechtigung gemeint, die jedoch über den eigentlichen Begriff („Duldung“) hinausgeht.

Das zugrundeliegende Verb tolerieren wurde im 16. Jahrhundert aus dem lateinischen tolerare („erdulden“, „ertragen“) entlehnt. Das Adjektiv tolerant in der Bedeutung „duldsam, nachsichtig, großzügig, weitherzig“ ist seit dem 18. Jahrhundert, der Zeit der Aufklärung, belegt, ebenso die Gegenbildung intolerant, als „unduldsam, keine andere Meinung oder Weltanschauung gelten lassend als die eigene“.

Der Gegenbegriff zu Toleranz ist die Intoleranz, in der Bedeutung „Unduldsamkeit“ im 18. Jahrhundert aus dem französischen intolérance entlehnt. Als Steigerung der Toleranz gilt die Akzeptanz, die gutheißende, zustimmende Haltung gegenüber einer anderen Person oder ihrem Verhalten.

Ihr seht, da gibt es einige große Unterschiede – Akzeptanz ist wesentlich erstrebenswerter, als eine reine Toleranz, die doch bis zu einem gewissen Grad negativ behaftet, weil passiv ist. Nichtsdestotrotz sorgten beide Worte für Aufregung und Protesten, als im April 2016 in Bayern der neue Lehrplan für Sexualkunde bekannt gegeben wurde, in dem erstmals LGBTIQ* aufgenommen und Toleranz und Akzeptanz gegenüber sexuellen Orientierungen vermittelt werden sollte. Die Vielfalt der Lebenswirklichkeiten von Menschen sollte im Unterricht abgebildet werden, denn bis dahin waren Themen wie Hetero-, Homo-, Bi-, Trans- und Intersexualität kaum angeschnitten worden und wenn dann höchstwahrscheinlich nicht immer wertungsfrei behandelt worden. Das sollte sich künftig ändern – ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung um auf längere Sicht die gesellschaftliche Akzeptanz von LGBTIQ* zu erreichen.

Leider kam es aufgrund des neuen Entwurfes zu massiven Protesten – gerade aus der “rechten Ecke”, die sofort gegen vermeintlichen Einzug von “Gender-Theorie als Ideologie, Unfug und Aberglauben” in die Schulen und gegen “die grundlegende Verunsicherung und Dekonstruktion der kindlichen Persönlichkeit” protestierten. Ganz vorne dabei war die Demo für alle, die in mehreren Städten Station machte und über den neuen Lehrplan „aufklärte“ (zumeist mit falschen Informationen, die nicht dem eigentlichen Inhalt des Planes entsprachen und mit pseudowissenschaftlichen Arbeiten, in denen belegt werden sollte, wie schädlich diese Frühsexualisierung sei). Im eher konservativen, von der CSU regierten Bayern hatte die Demo für alle schließlich Erfolg (siehe Artikel auf queer.de) – statt Akzeptanz wird nun (lediglich) “Respekt” von Schülern eingefordert, ebenso wurde ein Passus über das Christentum und der verfassungsrechtliche Vorrang von (heterosexueller) Ehen und Familien ergänzt.

Schauen wir uns die Begriffserklärung von Wikipedia an:

Respekt

Respekt (von lateinisch respectio „Rückschau, Einschätzung, Betrachtung, Wieder-Schau“, im Sinne von „Beurteilung“, über frz. respect „Hochachtung“) bezeichnet eine Form der Wertschätzung, Aufmerksamkeit und Ehrerbietung gegenüber einem anderen Lebewesen (Respektsperson) oder einer Institution. Eine Steigerung des Respektes ist die Ehrfurcht, etwa vor einer Gottheit. Die “Wieder-Schau” bezeichnet den Respekt der Unsicherheit des ersten Blicks. Hier bleibt das Subjekt respektvoll, indem es seine Sicht auf das Gegenüber von seinen schnellen Vorurteilen nicht allzu sehr trüben lässt. Wachsam prüft das Subjekt seine erste Hinsicht und schaut nochmals.

Wirklich viel hat das nicht mehr mit Toleranz oder gar Akzeptanz zu tun, denn wie heißt es so schön: „Respekt muss man sich verdienen“. Aus diesem Grund ist es sehr bedauerlich, dass die CSU gegenüber der Demo für alle eingeknickt ist und den ursprünglich geplanten Entwurf des Lehrplans gravierend verändert – aktuelle Zahlen aus einer Münchner Studie belegen, dass Homophobie an Münchner Schulen weit verbreitet ist (siehe Artikel auf queer.de). Zum Glück ist das nicht in allen Bundesländern passiert – in Hessen ist beispielsweise Akzeptanz von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- und intersexuellen Menschen als Unterrichtsziel definiert (sogar Sechs- bis Zehnjährige werden verpflichtend über homosexuelle Partnerschaften aufgeklärt). An dieser Stelle greift auch das Projekt SCHLAU, das ich euch vor einigen Tagen vorstellte und in dem LGBTIQ* in Klassen gehen und über das Thema Outing, Toleranz und Akzeptanz sprechen.

Wie wichtig die Vermittlung von Toleranz und Akzeptanz gegenüber LGBTIQ* bereits bei Kindern und Jugendlichen ist, zeigt sich bereits dabei, wie unterschiedlich das Leben im ländlichen/dörflichen Bereich im Vergleich zur Stadt ist. Während man in Großstädten oftmals wesentlich offener mit dem Thema LGBTIQ* umgeht, ist es in einer dörflichen Gemeinde, wo jeder jeden kennt, weitaus schwieriger, sich zu outen und zu zeigen, dass man in wenigen Dingen anders tickt, als die anderen. Gerade hier ist es wichtig Akzeptanz und Toleranz zu vermitteln, damit sich auf längere Sicht etwas im Denken ändert und man wesentlich lockerer und offener auf ein Coming-Out reagiert. Und dies gelingt meiner Meinung nach nur, wenn jüngere Generationen im Unterricht vollkommen wertungsfrei über andere Lebensentwürfe und Sexualitäten informiert werden und man ihnen Akzeptanz und Toleranz vermittelt.

Dann sind vielleicht irgendwann solche Reaktionen auf ein Coming-Out wie sie Griffin und Theo aus dem Roman „Was mir von dir bleibt“ seitens ihrer Familien bekommen, vollkommen normal oder (noch besser): ein Coming-Out ist gar nicht mehr notwendig, weil es den Eltern und Geschwistern vollkommen egal ist, in wen man sich verliebt oder wer man in Wirklichkeit ist:

 

„Wir müssen euch was erzählen“, sagt Theo. Vier Augenpaare starren uns gebannt an, aber als Theo meine Hand nimmt, fühle ich mich zahlenmäßig nicht mehr ganz so unterlegen. „Wir sind zusammen. Falls das ein Problem für euch ist, haben wir beschlossen, hier in den Bäumen weiterzuleben.“ Die Worte purzeln nur so aus seinem Mund, sodass sie, statt achtzehn einzelner, klingen wie ein einziges langes Wort.

[…]

„Das ist alles? Ich dachte schon, ihr wollt früher gehen, weil ihr euch zu sehr langweilt. Der arme Wade sieht zum Beispiel nicht so aus, als hätte er großen Spaß. Dagegen hätte ich was gehabt. Aber dass ihr zusammen seid, ist überhaupt kein Problem. Im Gegenteil.“

Ellen tätschelt Russell die Schulter und hakt sich bei ihm unter.

„Theo, ich dachte, jetzt ist es so weit, du hast dich in irgendein verbotenes Netzwerk gehackt und Griffin zur Mittäterschaft angestiftet.“

„Klar“, sagt Theo. „das klingt in der Tat nach einem sehr wahrscheinlichen Szenario.“

Meine Mom wackelt mit den Schultern, […] „Lasst euch umarmen!“, sagt sie und schließt Theo und mich gleichzeitig in die Arme. „Ich hätte noch gar nicht mit sowas gerechnet, wie aufregend!“

Sobald meine Mom sich umdreht, um Theos Eltern zu drücken, nimmt mein Dad Theo in den Arm.

„Gute Wahl, Theo“, sagt er. Dann kommt er zu mir und, jap, noch eine Umarmung. „Keine Übernachtungsbesuche mehr! Aber ich freue mich für euch.“

[…]

Theo und ich gehen zurück zu Wade, der uns lachend erwartet.

„Vermutlich habt ihr gerade einen neuen Rekord aufgestellt – für Umarmungen bei Coming-outs vor den Eltern“, meint er.

(c) Adam Silvera / Arctis Verlag (“Was mir von dir bleibt” Seite 78-80)

In Adam Silveras Jugendbuch wird Homosexualität allgemein als vollkommen normal und ohne jegliche Wertung dargestellt, ebenso wird auf die Beziehung der beiden jungen Männer nur teilweise eingegangen, denn in dem Roman geht es hauptsächlich um Freundschaft, Tod und Trauerbewältigung. Zu letzterem findet ihr heute einen spannenden Beitrag bei Reading Books von Annett – auch sie hat das Buch gelesen, sich jedoch mit der Trauerbewältigung beschäftigt.

Egal wie – es liegt noch ein weiter Weg vor uns, bis LGBTIQ* in der Gesellschaft wirklich akzeptiert und toleriert wird, doch die ersten Schritte sind gemacht und allmählich wandelt sich die Sicht auf queere Menschen und Lebensentwürfe. Luft nach oben gibt es natürlich immer noch, doch insgesamt ist die Gesellschaft in Deutschland auf einem guten Weg (insbesondere nach Einführung der Ehe für Alle im Oktober 2017). Jetzt heißt es Vorurteile abbauen und für Toleranz und Akzeptanz einstehen.

DAS BUCH ZUM BEITRAG


Autor: Adam Silvera
Hardcover: 368 Seiten
ISBN: 978-3038800224
Preis: 13,99 EUR (eBook) | 18,00 EUR (Hardcover)
Bestellen: Amazon
Rezensionen: Like a Dream| Claudis Gedankenwelt | Lovin-Books | queerBUCH

DIE AKTION #BLEIBDU
Mobbing – 100 Artikel in 50 Tagen, unterstützt von vielen Verlagen und Gesichtern aus Buch-, Musical-, Musik und Bloggerszene. Im Rahmen der Aktion werden Anlaufstellen vorgestellt und Interviewpartner erzählen von ihren Erlebnissen.
Alles zur Aktion: bleibdu.de

 

3 Gedanken zu „[THEMA] Akzeptanz und Toleranz von LGBTIQ* in der Gesellschaft“

  1. Da hast du eine sehr wahre Beobachtung gemacht. “Respekt” … das Wort wirft sich so leicht in den Raum, und am Ende ist es natürlich etwas, was sich jede Person wünscht, aber es ist etwas, das doch eher auf der persönlichen Ebene funktioniert. Einen Menschen, den ich nicht kenne und von dem ich noch nie gehört habe, kann ich weder respektieren noch nicht respektieren. Ich kann aber die Lebensweise einer Person akzeptieren, selbst wenn ich für diese Person wenig Respekt übrig habe. (Sagt hier jemand eine Abgeordnete von der Partei mit den blauen Plakaten? *pfeift*)

    1. Genau das wollte ich damit sagen – du hast es noch besser auf den Punkt gebracht, als ich. Respekt ist in meinen Augen etwas sehr persönliches, denn ich muss nicht jeden LGBTIQ* da draußen respektieren, nur weil er/sie schwul oder lesbisch ist. Wenn er menschlich ein A*** ist, wüsste ich nicht, warum ich diese Person respektieren sollte, nur weil er queer ist. Respekt ist ja von vielen Dingen abhängig.

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